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Corona #9: Picasso und meine neue Normalität

Am vergangenen Dienstag war ich im Museum. Im K20, der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. In der Ausstellung „Pablo Picasso Kriegsjahre 1939 bis 1945“. Picasso 1945 und Jamin 2020 passen in diesen Zeiten des Coronavirus thematisch ganz gut zusammen. Die Ausstellung ist ein kleines kulturelles Juwel in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf.

Für Picasso hat der 2. Weltkrieg im August 1944 mit der Eroberung durch die Alliierten geendet. Es gab eine neue Normalität für ihn. Er wird eine Ikone des künstlerischen Widerstands gegen das Nazi-Regime. Amerikanische Soldaten und viele andere Interessierte besuchen sein Pariser Atelier. Der Künstler malt Bilder mit dem gallischen Hahn, dem Symbol für Frankreich.

Zarte Öffnung gesellschaftlichen Lebens

Für mich beginnt gerade eine neue Normalität durch die zarten Öffnungen des öffentlichen und gesellschaftlichen Leben in der zweiten Periode der Corona-Krise. Als ich zusammen mit einer Freundin, der Autorin und Verlegerin Nicole Niewiadomski, die Ausstellung besuche, hat die Kunstsammlung erst wenige Stunden geöffnet. Es sind mehr Museumswärter als Besucher da. Alle mit Alltagsmaske.

Wir nähern uns Schritt für Schritt einer neuen Normalität. Die drei wichtigsten Regeln – Abstand halten, Hände waschen, Alltagsmaske tragen – werden uns vermutlich noch viele Monate, wenn nicht gar ein oder zwei Jahre begleiten. Bis es eine Impfung gegen das Coronavirus gibt.

An neues Gesellschaftsleben gewöhnen

Es dauerte bei mir einige Zeit, bis sich bei mir und bei aller Isolation von Freunden und gesellschaftlichen Gewohnheiten wieder ein vertrautes Gefühl mit meinem Leben einstellte. Keine Menschen mehr zu treffen, irritierte mich. Lieferservice statt Einkaufen gehen, langweilte mich. Doch allmählich beginne ich mich an die neue Normalität mit ihren kleinen Freiheiten zu gewöhnen. 

Bundesfinanzminister Olaf Scholz und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet haben den Gedanken einer „neuen Normalität“ in Zeiten des Coronavirus geprägt. Es ist der nachdrücklich Hinweis darauf, sich möglichst schnell an ein neues Gesellschaftsleben zu gewöhnen und es zu akzeptieren. Und in der Tat: Schnell lernen wir Selbstverständlichkeiten wie den Besuch einer Schule als großen Schritt zu akzeptieren. 

Picasso malt Schädel und Lauch

Was muss damals erst die neue Normalität für Picasso eine Erleichterung, eine Freude gewesen sein. Nicht mehr von brutalen Nazis unterdrückt zu werden!? Keine Bomben mehr. Picassos neue Normalität bringt er in einem etwas schrägen Bild zum Ausdruck. Titel: Stilleben mit Schädel, Lauch und Krug. Sein Kommentar zur Zeit, meint man in der Kunstsammlung: Übrig ist nur noch das letzte Wintergemüse; was danach droht, symbolisiert der Totenkopf.

Denn 1945 leidet Frankreich unter den Folgen der Naziherrschaft. Die Landwirtschaft liegt weitgehend brach. Zwei Millionen Männer sind in deutscher Kriegsgefangenschaft. 600.000 junge Frauen und Männer wurden zu einem Arbeitseinsatz nach Deutschland deportiert. Die Ernährung der Bevölkerung ist ein Kraftakt.

Vielleicht am Ende des Corona-Kriegs 

Picasso Bilder bieten den richtigen Rahmen für Gedanken in der neuen Corona-Normalität. Der französische Präsident Emmanuel Macron stellte in der ersten Corona-Periode fest:  „Der Feind ist da, und er ist unsichtbar. Aber wir werden den Krieg gewinnen.“

Für die deutschen Bevölkerung fühlt es sich an, als nähere sich der Krieg gegen das Coronavirus in diesen Tagen einem Ende. Man versucht vorsichtig, sich wieder in einem friedlichen Leben einzurichten. Doch dieser Aufbruch ist trügerisch. Die positive Stimmung kann schnell durch einen Rückfall in finstere Corona-Pandemie enttäuscht werden.

Keine deutsche Galionsfigur in Sicht

Picasso wird am Ende des zweiten Weltkriegs weit über Paris hinaus zu einer Galionsfigur der Freiheit. Die internationale Presse feiert ihn. Er wird Mitglied der kommunistischen Partei. Im „Salon de la Liberation“ erhält er einen eigenen Raum für 74 Gemälde und fünf Skulpturen – ein Beleg, dass die Deutschen die Kunst in Frankreich nicht in die Knie gezwungen haben.

Ich bin gespannt, welcher Künstler in Deutschland  einen ähnlichen Platz am Ende unseres Kriegs gegen das Coronavirus einnehmen wird. Noch ist keine Galionsfigur in Sicht. Aber noch liegt ja auch nicht das Coronavirus gezähmt zu Boden wie damals das Nazi-Deutschland. Picasso Kriegsjahre können noch – sofern für uns die neue Normalität nicht wieder abgeschafft wird – bis zum 14. Juni 2020 besucht werden. Alltagsmaske tragen und Abstand halten, ist Pflicht.

Foto: Kunstsammlung NRW, Achim Kukulies 

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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de

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