Gelegentlich sage ich in Diskussionen und Gesprächen halb ernst, halb zum Spaß: Ich bin das Volk. Ich gestehe, dass ich wirklich manchmal denke, dass ich wie „das Volk“ empfinde. Denn was ist schon das gesunde Volksempfinden? Ein Gefühl, wie Gerechtigkeit zu sein hat, was man den Bundesbürgern zumuten kann in #Politik, #Wirtschaft und #Gesellschaft. Und da kann ich mich auf ein gutes Gefühl verlassen, denke ich. Auch gerade jetzt, wenn der Bundespräsident als Pressesprecher von Fußballspielern agiert.
Bundespräsident Walter Steinmeier räumte vor etwa einer Woche den prominenten Fußball-Nationalspielern Ilkay Gündogan und Mesut Özil kurzfristig einen Besuchstermin ein, um ihnen die Gelegenheit zu geben sich vor der deutschen Öffentlichkeit für ihr Verhalten zu rechtfertigen. Und nicht nur das: Er selbst veröffentlichte auch noch ein Statement über #Facebook, in dem er die Fußballspieler verteidigte.
Erdogan Trikots überreicht
Doch zunächst möchte ich – man vergißt ja schnell – kurz erzählen, was da vorher passiert ist: Bei einem Besuch des türkische Staatschefs Recep Tayyip Erdogan in London traf er auch die deutschen Nationalkicker. Mesut Özil und Ilkay Gündogan, in Deutschland als Nachfahren türkischer Einwanderer aufgewachsen, sorgten mit dieser Wahlkampfhilfe für den türkischen Präsidenten Erdogan für Aufsehen.
Denn die Fußballer ließen sich nicht nur gemeinsam mit dem Politiker fotografieren. Sie überreichten Erdogan auch Trikots ihrer Clubs Manchester City und FC Arsenal. Auf Gündogans Trikot mit der Nummer 8 stand handschriftlich sogar geschrieben: „Mit großem Respekt für meinen Präsidenten.“
Respekt für meinen Präsidenten
Diese Sympathie-Zeremonie wurde von Erdogans Partei AKP sofort auf Twitter und anderen Social Media Plattformen veröffentlicht. Das wiederum löste in Deutschland großes Entsetzen aus, schließlich entwickelt sich die Türkei unter Erdogan u.a. durch Verhaftungen von Journalisten und Oppositionellen mehr und mehr zu einer Anti-Demokratie, in der die Menschenrechte und auch türkisches Recht mehr und mehr gebeugt oder gar nicht mehr beachtet werden.
Wie das Konzept der Krisen-PR der beiden Fußballspieler genau aussah, ist nicht bekannt. Moralische Unterstützung bekamen sie jedenfalls von DFB-Präsident #ReinhardGrindel, Bundestrainer #JoachimLöw und Nationalmannschaftsmanager #OliverBierhoff. Und vom Bundespräsidenten.
Steinmeier auf Facebook
Der schrieb auf Facebook: „Ilkay Gündogan und Mesut Özil haben den Wunsch geäußert, mich zu besuchen. Beiden war es wichtig, entstandene Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Wir haben lange gesprochen, über Sport, aber auch über Politik. Der deutsche Fußball hat beide Spieler groß gemacht. Ihre Geschichte spiegelt wider, was ich in meiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit gesagt habe: ‚Heimat gibt es auch im Plural. Ein Mensch kann mehr als eine Heimat haben, und neue Heimat finden. Das hat die Bundesrepublik für Millionen von Menschen bewiesen und es hat uns bereichert.‘ Genauso wichtig wie der Respekt vor der Vielfalt unserer Wurzeln, ist das Bekenntnis aller Bürgerinnen und Bürger zu unserem Land und seinen Werten. Mesut Özil hat mir heute gesagt: ‚Ich bin hier aufgewachsen und stehe zu meinem Land.‘ Und İlkay Gündoğan erzählte: ‚Meine Familie stammt aus Dursunbey. Ich bin in Gelsenkirchen geboren. So wie die Heimat meiner Eltern auch ein Stück Heimat für mich ist, so ist Deutschland heute eindeutig mein Land und mein Team.‘ Meine Antwort an beide: ‚Und mit Deutschland werden Sie Weltmeister!’“
So schnell zu Steinmeier
Eine sehr befremdliche Aktion des Bundespräsidenten. Wenn jemand Missverständnisse gegenüber der Öffentlichkeit ausräumen möchte, sollte er eine Pressekonferenz einberufen und nicht den Bundespräsidenten als Pressesprecher einbestellen. Leider bestätigt diese Aktion, dass man als Prominenter in Deutschland doch gewisse Vorzüge in der Politik hat.
Die empörten Reaktionen auf das Statement des Bundespräsidenten sind nachvollziehbar. Die Reaktion in den Kommentaren etwa auf Facebook sah entsprechend aus. Viele Nutzer äußerten sich so wie „muds0r“ auf Tagesschau.de am 19. Mai 2018 um 21:53: „Wie? So schnell und einfach kommt man zum Steinmeier? Na wenn das so ist, wünsch ich mir auch mal, ihn zu treffen, so in 2-3 Tagen sollte kein Problem sein.“
Bundespräsident im Fettnäpfchen
Bundespräsident und Fußballspieler hatten also voll ins Fettnäpfchen getreten. Der Bundespräsident hat durch diese Promi-Aktion sein eigenes Amt beschädigt. Statt mit dem Bundespräsidenten zu sprechen, hätten die beiden Fußballspieler ihren Fans und der Öffentlichkeit lieber erklären sollen, wie sie denn zu dem türkischen Präsidenten stehen und was sie von dem Demokratie-Verfall in der Türkei halten. Das ist bis heute nicht geschehen.
Mesut Özil hat sich bislang gar nicht geäußert. Ilkay Gündogan redet offensichtlich so verschwurbelt, dass der „Stern“ in seiner jüngsten Ausgabe in einem Artikel auf drei Heftseiten feststellt, dass der Fußballspieler gar nichts zu sagen hat.
Meinungsgestörte Fußballspieler
Offensichtlich sind ja die meisten Fußballspieler von Rang vollkommen unpolitisch. Also weit, weit entfernt vom „mündigen Bürger“ und viel, viel Meinungsgestörter als das gemeine Volk.
Nun könnte man ja sagen, dass es letztlich eine Privatangelegenheit der beiden Fußballspieler ist, ob sie dem türkischen Präsidenten ein T-Shirt schenken oder der Bundespräsidenten als Pressesprecher für sie eintritt. Aber was ist schon privat bei zwei Nationalspielern, von denen wir sogar erwarten, dass sie die Nationalhymne bei wichtigen Fußballspielen singen können…
Möglicherweise haben die beiden Kicker allerdings auch Angst, dass Angehörigen von Ihnen in der Türkei Nachteile entstehen, wenn sie sich kritisch mit dem Regime auseinandersetzen. Dann sollten sie oder die DFB-Führung aber wenigstens einen Hinweis darauf geben, damit die Öffentlichkeit ihr Schweigen verstehen kann.
Zwei Körper für die nächste WM
Die beiden Fußballspieler haben sich des Bundespräsidenten wie auch des DFB und ihrer Führung als Pressesprecher bedient. Das ist eine einfache Methode den Kopf einzuziehen. Dabei sollten es gerade Kicker doch besser wissen: Wenn man wirklich etwas erreichen und ein Tor schießen will, muss man sich selbst kräftig bewegen. Auf die Mitspieler und ihren Kampfgeist allein zu vertrauen, führt selten zu einem Sieg.
Wer nicht selbst die Initiative ergreift, verliert. Ilkay Gündogan und Mesut Özil haben sich als Dummköpfe geoutet. Auf solche Nationalspieler kann man wirklich nicht stolz sein.
Aber vielleicht bringen es die beiden Körper wenigstens bei der nächsten #FußballWM in Russland.
#bundespräsident #dfb #fußball #stern #Erdogan #tagesschau #IlkayGündogan #MesutÖzil
Foto: Bundespresseamt/Guido Bergmann
(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)