Die Automation in der digitalen Welt und die Künstliche Intelligenz haben enorm zugenommen. Gerade ist etwa Chat-GPT in allen Medien präsent. Und somit gibt es auch immer häufiger digitale Pannen. Da werden von Künstlicher Intelligenz (KI) ganze Webseiten gesperrt oder Bücher auf einen Index gesetzt, ohne dass ein Mensch das noch überprüft.
Ich selbst bin jetzt mit einem Buch Opfer einer solchen KI-Panne geworden. Als ich jüngst auf der Website des Selfpublishing-Verlags Neobooks nach meinem „Vermisst-Ratgeber für Angehörige, Freunde und Verwandte“ schaute, weil die regelmäßigen Honorarüberweisungen ausblieben, war meine Buchseite zu meiner Überraschung gesperrt.
Ein simpler Sperrhinweis
Der lapidare Hinweis statt der für Angehörige von Vermissten wichtigen Inhalte: „Die epub-Vorschau kann für dieses Werk nicht angezeigt werden. Aufgrund jugendgefährdender Inhalte wird keine Vorschau dieses E-Books angezeigt.“
Ferner gab es nur noch eine kurze Notiz zur Person: „Peter Jamin arbeitet als Publizist und Schriftsteller. Zum Thema „Vermisste Menschen“ veröffentlichte er neben dem „Vermisst-Ratgeber für Angehörige“ drei weitere Bücher und eine Fernsehserie zum Thema Vermisste Menschen.“
Sperrung ist Rufschädigung
So eine Sperrung eines Buch mag kein Autor. Denn schließlich entsteht dadurch nicht nur eine Rufschädigung von Autor und Buch, sondern meist auch ein finanzieller Schaden. Mit dem Hinweis auf eine Jugendgefährdung wird das Buch gar nicht oder nur noch schlecht verkauft.
Immerhin stellte ich aber bei meinen Recherchen fest, dass etwa Amazon diese „Jugendgefährdung“ ignoriert hatte. HIER
wurde meine Vermisst-Ratgeber weiterhin angeboten. Schließlich ist das Buch ja „der einzige Leitfaden für soziale Fragen von Deutschlands Vermisst-Experten“.
500.000 Vermisst-Angehörige
Jährlich werden mehr als 100.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei der Polizei als vermisst registriert. Zurück bleiben mehr als 500.000 nahe Angehörige und darüber hinaus etwa ebenso viele Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen, die sich Sorgen um die Verschwundenen machen. Für sie habe ich dieses Buch geschrieben.
Die Inhalte in Stichworten: Hilfe zur Selbsthilfe für die Angehörigen – Top-Tipps für erste Maßnahmen – Suche nach Kindern und Erwachsenen – Empfehlungen bei psychischen Krisen – Anleitung für die richtige Organisation – Über die Gründe für das Verschwinden – Ratschläge bei Langzeitvermissten – Rechtsfragen und Verhaltenstipps – Adressen von Behörden, Initiativen u. a.
Neobooks schnelle Reaktion
Ich wollte natürlich wissen, warum Neobooks mein Buch gesperrt hat. Die Antwort auf meine Mail kam innerhalb weniger Minuten. Sie zeigt mir, wie gefährlich die Automatisierung etwa im Verlagswesen sein kann. Denn bei meinem Buch hatte die Computer-Routine Mist gebaut.
„Hallo Peter“, schrieb mir Neobooks, „gemäß Jugendmedienschutzgesetz (JMStV) sind wir dazu verpflichtet, jugendgefährdende Inhalte auf unserer Website auszublenden. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass Kinder und Jugendliche in Büchern schmökern, die für sie inhaltlich unangemessen sein könnten.“
Neues Tool von der IT
Weiter erfuhr ich, dass die IT-Abteilung von Neobooks ein „Tool zur Umsetzung der Jugendschutzrichtlinien in unseren Detailseiten entwickelt hat, welches Publikationen anhand von bestimmten Schlagwörtern automatisch auf potenziell jugendgefährdende Inhalte überprüft“.
„Da es sich hierbei um einen voll automatisierten Prozess handelt“, so Neobooks, „können wir leider nicht ausschließen, dass es auch mal zu einer fehlerhaften Einstufung kommt. Wir werden das Tool aber immer weiter optimieren, um die Fehlerquote möglichst gering zu halten.“ Vollautomatisch heißt, es funkt mir eine sogenannte Künstliche Intelligenz in mein Handwerk – und kein Mensch kontrolliert es.
Die falschen Schlagworte
Immerhin hat Neobooks schnell reagiert: „Zugleich können wir die Einstufung jederzeit manuell ändern und genau das haben wir in deinem Fall auch getan, d.h. dein Ebook wird nun wieder in den Detailseiten angezeigt. Für die entstandenen Unannehmlichkeiten möchten wir uns herzlich bei dir entschuldigen.“
Geht klar. Fehler können passieren. Aber dieses Beispiel zeigt, wie anfällig unsere Welt ist, wenn wir der Künstlichen Intelligenz blind vertrauen. Vermutlich hat der Neobooks-Computer ein paar Schlagworte in meinem Vermisst-Ratgeber gefunden, die ihm nicht gefallen haben oder die auf einer Liste der gesperrten Wörter standen.
Keine finanzielle Entschädigung
Bedauerlicherweise geht die Automatisierung noch nicht so weit, dass man mir mit einer Entschuldigung für die Panne automatisch auch eine Entschädigung für ausgefallenes Buchhonorar anbietet.
Da muss die KI der IT von Neobooks dringend noch mal nacharbeiten. Meine Kontonummer ist dem Verlag ja bekannt. Was mir auch zeigt: Wenn es ums Geld geht, versagt die Künstliche Intelligenz offensichtlich perfekt.
Foto: Jamin
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)