Ich habe eine große Sympathie für die „Letzte Generation“. Ja, das sind jene Hunderte Umweltschützer, die sich an Autobahnen festkleben oder in Museen wertvolle Gemälde mit Sauce bewerfen. Und dabei den Autofahrern Zeit zum Nachdenken über den Klimawandel schenken und den Mindestlöhnern von Reinigungsunternehmen ihre Jobs erhalten.
Ich habe Sympathie für die meist jungen Demonstranten, weil sie sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen. Im Gegensatz zu den meisten Bundesbürger*innen, die die drohenden Gefahren des Klimawandels beharrlich ignorieren und nicht handeln. Und dagegen beispielsweise lieber Weihnachtsbeleuchtung in den Städten bewundern.
Klare Forderung: Tempo 100
Die „Letzte Generation“, engagiert bis zum Strafverfahren, hat höchst akzeptable Forderungen an Politik und Gesellschaft: Konsequent Tempo 100 auf den Autobahnen und Straßen der Republik. Und ein 9-Euro-Ticket für alle.
Das sind zwei Forderungen, denen unsere Politiker leicht gerecht werden könnten. Wenn Sie denn wollten. Besonders die FDP steht bei Tempo 100 auf der Bremse – total dämlich. Stattdessen drohen die Politiker Partei-übergreifend mit dem Hammer der Justiz.
9-Euro-Ticket statt Munition
Auch jene Offene-Brief-Schreiber*innen um Alt-Feministin Alice Schwarzer und Populär-Philosoph Richard David Precht müsste das gefallen: Die Multimillionen Euro für die Waffen, die wir auf ihren Wunsch nicht in die Ukraine liefern, könnten in Tempo-100-Straßenschilder und 9-Euro-Tickets investiert werden.
Die meisten Intellektuellen schweigen jedoch beharrlich zu den Aktionen der „Letzten Generation“ – vermutlich sind die meisten von ihnen zu alt (und nicht sehr von der Klimakatastrophe betroffen) und die Jungen unter ihnen zu Karrieregeil, um sich mit „Straftätern“ zu solidarisieren.
„Straftäter“ für die gute Sache
Ich weiß aber, dass man und frau heute nicht „Straftäter“ genug sein können für den wichtigsten aller Proteste – den Klimaschutz. Vieles geht im Weihnachtstrubel, Black Friday und anderen Wirtschaftsförderungs-Maßnahmen einfach unter. Mann und Frau müssen zu harten Kalibern des Protestes greifen.
Ich selbst kann ein Klagelied davon singen. Seit Jahrzehnten setze ich mich dafür ein, dass sich der Staat, die Bundes- und Landesregierungen und die Stadtkommunen mehr um die Situation der Angehörigen von Vermissten kümmern.
Schweigen auf meine Briefe
Oft habe ich schon in Interviews mit den Medien und und in Briefen und Gesprächen mit Politikern und Ministern darauf hingewiesen, dass viele Angehörige von Vermissten nach dem Verschwinden eines geliebten Menschen in ein psychisches und organisatorischen Chaos versinken. Nichts ist passiert.
Immerhin sind das jedes Jahr rund 500.000 nahestehende Angehörige von mehr als 100.000 Bundesbürger*innen, die jedes Jahr bei der Polizei als vermisst registriert werden. Doch nur die Polizei ist zuständig – und mit der Sozialarbeit total überfordert.
Vermisst-Pilotprojekt in Emden
Es gibt in der ganzen Republik nur einen einzigen Politiker, der das Problem erkannt und gehandelt hat. Der Oberbürgermeister von Emden, Tim Kruithoff, hat nach einer Lesung zu meinem aktuellen Buch „Ohne jede Spur. Wahre Geschichten von vermissten Menschen“ und einem Gespräch mit mir in seiner Behörde eine „Beratungsstelle für Angehörige von Vermissten“ eingerichtet. Ein Leuchtturm. Ein Pilotprojekt.
Vermisst-Ratgeber für Angehörige
Informationen und Bestellen – hier
Besser wäre es vermutlich gewesen, ich hätte mich an das Rednerpult im Bundestag geklebt oder an die Drehtür zum Landtag von Nordrhein-Westfalen in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf. Aber dazu fehlte mir der Mut.
Verzweiflungstaten mit Kleber
Das, was die „Letzte Generation“ macht, sind Verzweiflungstaten. Ihr Originalton dazu: „Wir stecken mitten in der Klimakatastrophe.“ Sie kämpfen mit Sekundenkleber gegen den Weltuntergang an. Informiert euch mal über den Klimawandel und ärgert euch nicht, wenn ihr wegen einer Klebe-Aktion mal eine Stunde oder zwei im Stau steht!
Eure Enkel- und deren Enkelkinder werden dazu keine Zeit mehr haben, weil sie Dämme gegen Hochwasser und Mauern gegen eine Flut von Klimaflüchtlingen bauen müssen. Letzter Tipp: Die „Letzte Generation“ bietet regelmäßig Vorträge online an. Sehr empfehlenswert!!!
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)