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Rheinbahn-Desaster #2: Millionenspiel für Eingeweihte

Eigentlich sollten ja in Düsseldorf etwa auf der Linie U75 schon lange ganz tolle, neue Straßenbahnen fahren. Allerdings hätten dazu 59 supermoderne HF6-Bahnen zwischen 2017 und 2020 vom Hersteller Bombardier auch geliefert werden müssen. Doch außer ein paar Test- und Fahrschulbahnen müssen sich Millionen Fahrgäste weiterhin mit alten Schrottbahnen begnügen. Vielleicht noch jahrelang. Selbst zu den möglichen Lieferterminen in der Zukunft schweigen Rheinbahn und Bombardier Transportation. 

Und auch Düsseldorfs Politiker hüllen sich in Schweigen, als wäre die 167 Millionen Euro-Investition ein exklusives Millionenspiel für ein paar Eingeweihte. Auf eine Mail-Anfrage zu meinem Blog in der letzten Woche haben weder OB Thomas Geisel (Aufsichtsratsvorsitzender der Rheinbahn) noch seine Mitbewerber um den Oberbürgermeister-Posten von CDU, FDP, Grüne und Linke geantwortet. Ob die bis zum Wahltag am 13. September ihre Sprache wiederfinden werden ist fraglich. Sie sind im Moment mehr auf Parolen und Propaganda denn auf Problemlösung eingestellt.

Viele Klagen über Bombardier

Vielleicht blickt ja auch niemand mehr durch beim Rheinbahn-Desaster?!  Bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass Straßenbahn-Hersteller Bombardier Transportation quer durch Deutschland schlimme Spuren hinterläßt. In etlichen Orten klagten und klagen Verkehrsbetriebe und Politiker über Lieferschwierigkeiten und Qualitätsmängeln bei neuen Bahnen von Bombardier.

 „In die Terminzusagen (von Bombardier) haben wir jegliches Vertrauen verloren“, bekannte schon vor Jahren Christian Höglmeier, technischer Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe AVG in Heilbronn. In Stuttgart bezeichnete Landesverkehrsminister Winfried Hermann im Dezember 2019 Bombardier und Stadler als „Hauptverursacher des Problems“ und kritisierte: „Ich hätte nicht gedacht, dass einer der größten Hersteller für Schienenfahrzeuge nicht in der Lage ist, Fahrzeuge nur einigermaßen pünktlich zu liefern…“

Millionen Rheinbahn-Fahrgäste betroffen

Von dem Rheinbahn-Desaster sind viele Millionen Fahrgäste und Anwohner längs der Rheinbahn-Gleise in Düsseldorf betroffen. Sie sind auf die Schrottbahnen etwa der Linie U 75 angewiesen. Aber auch Tausende Anwohner längs der Gleise in Düsseldorf und Neuss leiden unter den Gammelbahnen. Denn die zum Teil 50 Jahre alten Bahnen sind extrem laut. Allein aus diesen Gründen macht es Sinn, sich intensiver mit den Vorgängen bei der Rheinbahn zu befassen.

Beispiel: Vertragsstrafen. Der Rheinbahn-Vorstand behandelt das Thema wie eine Geheimsache. Warum? Der „EU-Leitfaden für öffentliche Auftragsvergabe“ beispielsweise rät, dass „Vertragsstrafen einfach in den Vertragsbedingungen vorgesehen werden sollten“. Sind in den Rheinbahn-Verträgen vielleicht keine Vertragsstrafen bei Lieferung oder Qualitätsproblemen vorgesehen?

Kreistagsfraktionen fordern Vertragsstrafe

Hätte nicht Rheinbahn-Vorstand und -Aufsichtsrat gewarnt sein müssen? Schon bevor 2015 die Verträge für zunächst 43 neue Straßenbahnen HF6 abgeschlossen wurden, gab es für Vertragspartner Bombardier Transportation Schlagzeilen wegen Vertragsstrafen.

Die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft AVG in Karlsruhe beispielsweise hatte 2009 Stadtbahnfahrzeuge bei Bombardier Transportation im Wert von 200 Millionen Euro bestellt. Im Februar 2014 fehlten immer noch die Zulassungen für die Bahnen. Politiker kündigten deswegen an, Bombardier gegenüber auf eine Vertragsstrafe pochen.

Hat Aufsichtsrat Warnungen mißachtet?

Hätten die Rheinbahn – aber auch Düsseldorfs Politiker im Aufsichtsrat – durch solcherart Vorgänge nicht gewarnt sein müssen? Im Aufsichtsrat sitzen  einige echte Edelgewächse der Düsseldorfer Politik: neben OB Thomas Geisel die Ratsfrau Annelies Becker (CDU), Ratsherr Norbert Czerwinski (Grüne), Ratsherr Andreas Hartnigk (CDU), Ratsfrau Ursula Holtmann-Schnieder (SPD), Ratsherr Manfred Jan Neuenhaus (FDP), Ratsherr Rolf Tups (CDU) und Ratsherr Martin Volkenrath (SPD).

Warum schloß die Rheinbahn trotzdem 2015 Verträge mit Bombardier Transportation? Hatte es vielleicht etwas damit zu tun, dass der damalige Vorstandschef Michael Clausecker vorher Deutschlandchef bei Bombardier Transportation gewesen war? Gab es keine kritischen Stimmen oder Bedenken bei den Vorstandskollegen oder im Aufsichtsrat, als die Verträge abgeschlossen wurden?

Trotz Nichtlieferung weitere Bahnen bestellt

Und warum wurden 2019 weitere 16 Straßenbahnen durch die Rheinbahn bei Bombardier Transportation bestellt, obwohl der Hersteller schon die 43 Bahnen, die ab 2017 kommen sollten, nicht geliefert hatte? Wenn man schon die Warnungen in anderen Städten Deutschlands ignoriert, so hätte man doch den eignen Schlamassel hinterfragen müssen!? 

Hat niemand befürchtet, dass der Lieferant vielleicht schon mit dem ersten Auftrag in Höhe von 43 Bahnen überfordert war? Vielleicht war ja der Vertrag von 2015 für die Rheinbahn so schlecht zusammengeschrieben, dass er für Bombardier Transportation freie Fahrt für Millionen Euro garantiert?!

Werden da Millionen Euro verschwendet?

Ja, mich interessiert sehr stark die Frage des Geldes. Schließlich geht es um viele Millionen Steuergelder, die notwendig sein werden, wenn der Rheinbahn-Vorstand schlecht wirtschaftet. Allein in diesem Jahr will die Rheinbahn von den Bürger*innen der Stadt Düsseldorf zusätzlich 40 Millionen geschenkt. 

Der Gesamtauftrag über 59 Straßenbahnen HF6 beläuft sich auf 167 Millionen Euro. Bei Verträgen in dieser Größenordnung ist es üblich, dass auch Vorschüsse gezahlt werden. Wie viele Millionen Euro hat Bombardier Transportation bereits ohne Gegenleistung kassiert? Gerüchten zufolge wurden bereits 2015 rund 30 Millionen Euro Anzahlung geleistet. Allein für diese Summe steht fünf Jahre später noch immer kein Gegenwert im Rheinbahn-Fuhrpark.

Rheinbahn vor Riesendesaster?

Stehen bei der Rheinbahn unter Umständen Millionenverluste in zwei- oder dreistelliger Höhe an, wenn der Straßenbahn-Lieferant den Auftrag nicht erfüllt? Ursprünglich sollten die neuen Straßenbahnen zwischen 2017 und 2020 geliefert werden. Bis heute ist aber noch nicht ein einziger Fahrgast mit einer neuen HF6-Bahn gefahren. Die wenigen gelieferten Straßenbahnen sind für die Qualitätsprüfung und die Fahrschule der Fahrer. 

Steht die Rheinbahn vor dem größten Desaster aller Zeiten? Gibt es möglicherweise jahrelange Prozesse um die 59 Straßenbahnen, die vielleicht nie geliefert werden? Der Rheinbahn-Vorstand hat erst vor rund 14 Tagen die Annahme von neuen Bahnen von Bombardier-Transportation wegen Herstellungsfehlern gestoppt. Neue Termine, wann die Bahnen nun endgültig geliefert werden, hat die Rheinbahn auf meine Anfrage nicht genannt.

Straßenbahnen für 400 Millionen Euro

Und was ist mit den Plänen der Rheinbahn jetzt gemeinsam mit der Duisburger Verkehrsgesellschaft erneut 91 Straßenbahnen mit Option auf 42 weitere zu bestellen. Dabei geht es nach meiner Schätzung um voraussichtlich rund 400 Millionen Euro. Eine Straßenbahn HF6 kostet rund drei Millionen Euro. Wird auch da wieder Bombardier Transportation mitspielen? 

Entwickelt sich die Rheinbahn zu einem Millionen-Euro-Grab von Steuergeldern? Und zu einer Katastrophe für Millionen Fahrgäste und Anwohner längst der Straßenbahn-Gleise? Denn die 50 Jahre alten Bahnen etwa der Linie U 75 sind der Horror. Sie sind elendig laut. Sie quietschen und scheppern. Sie sind unkomfortabel für die Passagiere. Im Hitzesommer sind sie mangels Klimaanlagen wahre Brutkästen. Und häufig müssen die Zugführer rohe Gewalt anwenden, um überhaupt die Türen zu öffnen.

Warum schweigen Düsseldorf Politiker?

Es ist also ein totales Rheinbahn-Desaster! Das „Handelsblatt titelte erst vor wenigen Tagen: „Ausverkauf bei Bombardier.“ Und stellte weiter fest: „Abschreibungen, Vertragsstrafen und andere Sonderbelastungen drückten das Ergebnis (den Gewinns, der Autor) der in Berlin angesiedelten Transportation-Sparte fast auf null.“ Und das Manager-Magazin schrieb jüngst sehr besorgt: „Gerade Bombardier als größter Hersteller in Europa kann immer wieder mit Großaufträgen rechnen, obwohl es ständig Streit um technische Mängel und verspätete Lieferungen gibt.“

Derweil hüllt sich der Rheinbahn-Vorstand in Schweigen und lehnt es ab – meiner nach besonders wichtig – die Düsseldorfer Bürger*innen umfassend über den Schlamassel zu informieren. Und Düsseldorfs Politiker im Aufsichtsrat scheinen vor dem Millionenspiel mit Steuergeldern zu kapitulieren. Mehr dazu gibt es vielleicht in meiner nächsten Kolumne am nächsten Freitag.

#Düsseldorf #jaminautor #BlogAufEinenCappuccino  #RheinbahnDesaster  #OBGeisel  #DüsseldorferStadtrat

(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)

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