Wenn sich das Jahr dem Ende nähert, blickt man ja gerne einmal zurück. In diesem Jahr hat die größte Tageszeitung in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf, die Rheinische Post, über den Düsseldorfer Expuffbetreiber Bert Wollersheim, seine Ex-Frau und seine Aktuelle geschätzt fünfmal häufiger berichtet, als über mich, einem Düsseldorfer Schriftsteller.
Welche Rückschlüsse lassen sich dadurch auf das Niveau der Rheinische Post ziehen? Und was sagt das über die Medien und unsere Gesellschaft aus? Haben möglicherweise halbseidene oder brustoptimierte Menschen einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft als ein Schriftsteller, der sich ein wenig sozial engagiert?
Fünf Mal mehr Berichterstattung
Bei einem Vergleich zwischen der RP-Berichterstattung über Bert Wollersheim und der über meine Arbeit und Person lege ich keinen Zeilen-Messer, sondern großzügig eine Schätzung an. Über mich berichtet die Rheinische Post in diesem Jahr ein Mal.
Da wurde in rund 50 Zeilen auf eine Lesung von mir im Rahmen des Düsseldorfer Literaturfestivals in der Kulturkneipe „Sassafras“ und auf das Erscheinen meines neuen Buches „Ohne jede Spur. Wahre Geschichten von vermissten Menschen“ hingewiesen. Eine Rezension des Buches gab es in der RP nicht. Wie Medien qualitätvoller berichten, liest man auf meiner Website zum Buch.
Busen-Berichte sind beliebter
Nun kann man natürlich die Meinung vertreten, dass ein Buchautor, der über das Schicksal von vermissten Menschen und ihrer Angehörigen schreibt, für das breite Publikum nicht so interessant ist wie das Schicksal eines ehemaligen Bordellbetreibers, der mit einer schönheitsoperierten Frau verheiratet war und einer recht blond-auffallenden neuen Frau liiert ist. Und somit kann man die Schuld auf die Leser*innen schieben, die die Geschichten über Bert Wollersheim unbedingt lesen möchten.
Man kann auch darauf hinweisen, dass man nur mit Artikeln über Puffbetreiber, Influenzer*innen und Vorabendserienstars die Auflage der Rheinischen Post einigermaßen hoch halten kann. Würde man auf Berichte zu diesen „Stars“ verzichten, würden die Leser statt die RP nur noch Instagram lesen.
RP denkt schon an Weihnachten
Sehen wir uns also den Nachrichtengehalt des Düsseldorfer „Stadtgesprächs“ in der RP vom 22. Oktober 2019 doch einmal an. Unter der Rubrik „Netzgezwitscher“ finden wir da eine illustre „Promi“-Runde a la Rheinische Post.
Seriendarstellerin Claudelle Deckert fragt auf Sylt ein paar Fans, ob ihr Kleinkind-Partner wie Kino-Kevin aussieht. Bert Wollersheim nimmt in Frankfurt eine DVD in die Hand, und die RP fragt sich, ob der Mann schon an Weihnachten denkt. Und Dschungelkönigin Evelyn Bordecki hebt eine Zwei-Kilo-Hantel hoch, und die RP hofft auf größere Gewichte.
Expuffbetreiber zeigt eine DVD
Tageszeitungen wie die Rheinische Post sollten darauf achten, mit wem sie sich ins Bett legen. Wollen Sie wirklich für Influenzer-Sternchen werben, die ihnen die Werbeetats wegnehmen? Entsprechen inhaltsleere Nachrichten von Vorabend-Sternchen wirklich dem Lesefutter-Niveau der Leser*innen? Ist ein Expuffpächter mit einer DVD in der Hand wirklich eine Nachricht wert?
Ich finde, die Tageszeitungen sollten mehr Qualitätsjournalismus machen. Sie könnten sich ein Beispiel an der „Zeit“ nehmen. Die Wochenzeitung schafft es sogar mit anspruchsvollen und häufig verdammt langen Texten die Auflage zu steigern. Dafür benötigt man nur ein gutes Konzept, gute und gut bezahlte Redakteur*innen sowie gute und gut bezahlte freie Mitarbeiter*innen.
Tageszeitungen nicht verflachen
Tageszeitungen sollten dem Trend zur Boulevardisierung der Medien nicht folgen. Nur Facebook und Instagram verdienen mit den meist inhaltsleeren Simpel-News viel Geld. Die GEZ gibt’s nur für ZDF, ARD und Co. Tageszeitungen müssen sich ihr Geld hart durch Abos und vor allem Anzeigen verdienen.
Die kritischen Leser*innen der Tageszeitungen werden eine Verflachung des journalistischen Angebots nicht mitmachen. Wer’s noch nicht gemerkt hat: Die „Bild“ ist seriöser geworden, seit ihr zwei Millionen Leser*innen abhanden gekommen sind. So berichtete das Blatt auch zwei Mal in großen Geschichten über mich und mein Buch.
Puffi-Berti-Gemälde für Konferenzraum
Mir ist nicht bekannt, wie groß die Begeisterung von Herausgebern, Geschäftsführung, Verlag und Redaktion der Rheinischen Post für Bert „Puffi“ Wollersheim ist. Ich könnte aber noch mit einem Gemälde für den Konferenzraum aushelfen.
Vor einigen Jahren kaufte ich auf einer Kunstversteigerung des Heine-Kreises im Düsseldorfer Rathaus ein großformatiges Porträt von Wollersheim. Ein Gemälde in schillernden Farben. Foto oben, Preis Verhandlungssache.
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)