Diese Nachbereitung zur Stichwahl in @NRW muss sein. Ich hatte ja fest damit gerechnet, dass das @WDR Fernsehen am vergangenen Sonntag ab 18:00 Uhr eine Sendung zur Stichwahl im Programm hat. Die TV-Berichterstattung zu allen großen Wahlen hat schließlich in der Vergangenheit schon am späten Nachmittag begonnen.
Doch statt das Gespräch etwa mit den Polit-Kandidaten zu suchen, suchte des WDR Fernsehen lieber „Für Tiere ein Zuhause“. Grundsätzlich ein berechtigtes Anliegen. Doch am vergangenen Wahlsonntag ein fatales Signal: Die Stichwahl war dem WDR Fernsehen nicht so wichtig. Sozusagen ein TV-Resteposten.
Stichwahl nur Wahl zweiter Klasse
An so einem wichtigen politischen Tag für viele Städte und Gemeinden in NRW nicht zum gewohnten, frühstmöglichen Zeitpunkt die Zuschauer*innen über die aktuelle politische Entwicklung zu informieren, ist ein kapitaler journalistischer Fehler gewesen. Wochenlang hat man den Menschen in den Medien erzählt, wie wichtig die Wahl ist.
Am Wahlabend wurde die Stichwahl zur Wahl zweiter Klasse degradiert. Erst um 18.45 Uhr startete das WDR Fernsehen in der „Aktuellen Stunde“ – nach einer Würdigung des verstorbenen Politikers Wolfgang Clement – mit der Wahlberichterstattung. Eine Wahlsendung gab es erst ab 19.30 Uhr.
Ab 18 Uhr wichtige News zur Stichwahl
Um diese Zeit waren etliche wichtige lokale Wahlentscheidungen längst getroffen. Bereits um 18.13 Uhr meldete beispielsweise RP-online, dass der Düsseldorfer SPD-Chef Andreas Rimkus seinen Rücktritt erklärt hatte. Das WDR Fernsehen hätte live dabei sein und die Entscheidung hinterfragen können.
Frühe Auszählungsergebnisse machten in den Treffpunkten der Parteien die Runde. Um 18:32 Uhr meldet beispielsweise die RP: „Im Rhein-Kreis Neuss liegt Amtsinhaber Hans-Jürgen Petrauschke (CDU) vor seinem Herausforderer Andreas Behncke (SPD). Über die Hälfte der Stimmen ist ausgezählt. Petrauschke führt mit 57,6 Prozent.“ Aber offensichtlich war den WDR Programm-Verantwortlichen solche Aktualität nicht wichtig genug.
WDR Fernsehen hat klasse Moderatoren
Dabei hat der WDR mit dem Moderator*innenteam Henrik Hübschen und Siham El-Maimouni ein sehr gutes Wahlkampf-Gespann im Rennen. Sie hätten – gemeinsam mit Außenreporter*innen – sicher eine tolle Nachmittagsendung gemacht. Aber vermutlich wollte man Kosten sparen, damit man das stolze WDR-Intendanten-Salär für Tom Buhrow in Höhe von 399.000 Euro jährlich bezahlen kann.
Bundespräsident Steinmeier verdient übrigens nur 214.000 Euro. Empört postete ich auf Facebook: „Pennt das WDR Fernsehen? Am Tag der Stichwahl von vielen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern in Nordrhein-Westfalen sendet das WDR Fernsehen ab 18:00 Uhr eine Tiersendung (…) Ich bin entsetzt.“
Siegen und Verlieren einmal thematisieren
Neben viel Zustimmung erntete ich auch das Kontra eines Facebookers: „Was sollte denn um 18 Uhr berichtet werden?“ Keine Themen? Der Meinung bin ich nicht. Eine Wahl besteht aus mehr als Zahlen und Hochrechnungen. Spannend ist zum Beispiel das Thema „Siegen und Verlieren“. Das hätte man gut einmal am Wahlabend in Gesprächen mit Politiker*innen thematisieren können.
Um nichts anderes ging es doch bei dieser Stichwahl. Man hat beispielsweise dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel angesehen, wie niedergeschlagen er war, als er sich auf der Verliererstrecke befand. Das war Verlieren in Tausender-Wähler-Schritten. Wie gehen Menschen mit einem Sieg, wie mit dem Verlieren um? Das sind doch wichtige Fragen in einer Gesellschaft, in der fast immer nur Sieger etwas wert sind.
Auch Bundestagsabgeordneter kritisiert WDR
Auf Twitter wunderte sich auch der FDP-Bundestagsabgeordnete @Otto_Fricke
über die fehlende Berichterstattung des WDR. Er erinnert den öffentlich-rechtlichen Sender deshalb über Twitter an seinen Auftrag.
Ulrich Deppendorf, früher selbst WDR-Fernsehdirektor und Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, kontert die Kritik ironisch in einem Tweet unter @DeppendorfU: „Bürgermeister/Bürgermeisterinnen suchen ein Zuhause!“
Anfrage beim WDR Fernsehen nach Grund
Schließlich schrieb ich am Montag nach der Stichwahl noch eine Anfrage an die Presseabteilung des WDR Fernsehens. Eine Frage nur: Warum hat es im WDR Fernsehen – im Gegensatz zum ersten Wahltermin am 13. September 2020 – nicht schon ab 18:00 Uhr eine Wahlsendung zur Stichwahl gegeben?
Die Antwort des WDR ist eine schlechte Ausrede: „Anders als beim ersten Wahltermin am 13. September 2020, gab es zu den Stichwahlen keine Prognosen oder Hochrechnungen. Mit Ergebnissen war also erst zu einem späteren Zeitpunkt zu rechnen. In der entscheidenden Zeit, zwischen 18.45 Uhr und 20.00 Uhr, als die Ergebnisse kamen und sich der Trend in einigen Städten verfestigte, war das WDR Fernsehen mit der Aktuellen Stunde und der Wahl-Sondersendung live dabei und ganz dicht dran. So hat zum Beispiel der Düsseldorfer Oberbürgermeister Geisel seine Niederlage live im WDR Fernsehen eingestanden.“
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)