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Trump und wir: Wie psychisch Kranke durch Vorurteile diskriminiert und kriminalisiert werden

Gestern Abend sah ich in einer Fernsehsendung den amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Er stand in seinem Regierungsflugzeug „Air Force One“ und diktierte den mitreisenden Journalisten eine Stellungnahme in die Mikrofone. Über Migranten, die er gerade aus dem Land werfen ließ: „… Es sind Mörder … Leute aus psychiatrischen Kliniken …“.

Das gab mir zu denken. Wenn jemand wie der amerikanische Präsident Mörder und psychisch Kranke in einem Atemzug nennt, sollte man das nicht so stehen lassen. Und sich vor allem fragen: Haben wir Vorurteile gegenüber psychisch kranken Menschen? Kriminalisieren und diskriminieren wir sie womöglich?

Kranke terrorisiert Mitbewohner

Ich war für dieses Thema ohnehin sensibilisiert worden. Einen Tag vorher hatte ich in der „Zeit“ einen Bericht über eine psychisch kranke Frau gelesen, die immer wieder ihre Nachbarn terrorisierte. Den Menschen, die die Mitbewohnerin eigentlich gut leiden konnten, wurde sie mit der Zeit durch ihre Attacken immer fremder. Die Seite, auf der der Bericht „Als die Angst einzog“ stand, hatte den Rubriktitel: „Verbrechen“. 

Bringen wir die Attacken und Aktionen von psychisch kranken Menschen häufig und zu Unrecht mit Kriminalität und Verbrechen in einen Zusammenhang? Und wenn ja: warum? Ist das Verhalten dieser psychisch kranken Menschen nicht genau das Gegenteil? Sind das nicht aus der Hilflosigkeit und Verzweiflung oder aus vermeintlicher Bedrohung entwickelte Verhaltensweisen?

Psychisch kranke Attentäter

Dazu kommt: Vor längerer Zeit gab es in Deutschland mehrere Attentate von mutmaßlich psychisch kranken Menschen. In Mannheim, Aschaffenburg und Magdeburg. Zwar wurden die Attentäter in der Berichterstattung schnell als mutmaßlich psychisch krank eingeordnet, aber doch liefen die Geschichten immer im Dunstkreis der Kriminalität und dem aktuellen Thema der Migration. In keinem Bericht beschäftigte man sich beispielsweise mit den Attentaten als Folge von psychischen Krankheiten. 

Kaum befasst man sich mit der Frage, wie man Gewaltbereitschaft bei psychisch kranken Menschen rechtzeitig feststellen kann. In den Medien und ich befürchte, in vielen Köpfen der Bevölkerung sind die Attentäter von Mannheim und Co. keine Kranken, sondern Kriminelle. Attentate betrachten wir meist als Folge etwa von extremer Religiosität oder gesellschaftsfeindlichem politischem Handeln.

Jemanden totfahren ist Schicksal

Ganz anders sieht das aus, wenn ein Mensch mit seinem Auto einen anderen Menschen totfährt. Dann sprechen wir in der Regel von einem Unfall. Ein Unglück. Ein Schicksalsschlag. 

Selten ist unser erster Gedanke, dass es sich hierbei um ein Verbrechen handeln könnte. Dabei sieht das Strafrecht gerade das auch dann vor, wenn ein Mensch einen anderen mit einem Auto schwer verletzt oder tötet. 

Unfall kann Verbrechen sein 

Ein Autounfall kann als Verbrechen gelten, wenn die Tatbestandsmerkmale einer Straftat erfüllt sind. Dies ist insbesondere der Fall bei fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB).

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Unfall durch mangelnde Sorgfaltspflicht des Fahrers verursacht wurde, etwa durch Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Ablenkung.

Vorurteile im Unbewussten

Bewegen uns also bei der Betrachtung von Handlungen vom psychisch Kranken doch Vorurteile, die sich in unserem Unbewussten manifestiert haben? Donald Trump, den manche selbst als unzurechnungsfähig betrachten, setzt Mörder mit psychisch Kranken gleich. Macht der Rest unserer Gesellschaft das vielleicht auch?

Selbst die „Zeit“ veröffentlicht ja eine Geschichte über einen psychisch Kranken in der Rubrik „Verbrechen“. Dabei handelt es sich um eine sehr einfühlsame, informative und gerechte Betrachtung der kranken Frau und ihres Umfelds.

Verantwortung unserer Gesellschaft

Ich habe deswegen an die „Zeit“ folgende Anfrage gestellt: „Guten Tag, liebe Kolleg*innen. Haben Sie sich da nicht vertan, als sie über die Geschichte „Als die Angst einzog“ den Seitentitel „Verbrechen“ platzierten? Es handelt sich doch um eine psychische Erkrankung bei der Person, die im Mittelpunkt dieser Geschichte steht. Daraus kann man doch auf keinen Fall eine kriminelle Handlung machen. Da geht es um Gesundheit und Soziales und die Verantwortung unserer Gesellschaft für psychisch kranke Menschen …“

Kein klassisches Kriminalressort

Umgehend antwortete mir eine Redakteurin der „Zeit“ Folgendes: „Es war selbstverständlich nicht unsere Absicht, einer der darin vorkommenden Personen kriminelles Verhalten zu unterstellen. Und ich denke, im Text wird auch sehr deutlich, dass wir dies nicht tun. Vielmehr schneiden wir genau die Themen an, die Sie erwähnen: Wie viel Verantwortung tragen wir für unsere Mitmenschen, auch wenn sie nicht zur Familie gehören? Wie gehen wir gut miteinander um? Wie können wir jemandem helfen, der nicht selbst erkennt, dass er Hilfe benötigt?“

Das Ressort „Verbrechen“ sei kein klassisches Kriminalressort: „Auf diesen Seiten verhandeln wir sowohl Kriminalfälle als auch alle Facetten unseres Rechtssystems. Wie eine psychische Erkrankung nicht nur die Unversehrtheit der betroffenen Person gefährden kann, sondern auch die ihres Umfelds, welche rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, um Hilfe zu leisten, und wo die Grenzen des Gesetzes liegen – um all das geht es ja (auch) in der Geschichte aus Niedersachsen. Dennoch: Ich kann Ihre Irritation über die Kustode »Verbrechen« gut verstehen.“

Fördern Berichte die Vorurteile

Die Antwort lässt nachvollziehbare Fragen offen und zwingt mich, mich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich frage mich: Fördern solche Berichte wie in der „Zeit“ bei aller positiven, korrekten Darstellung trotzdem die Vorurteile unter den Leserinnen und Lesern gegenüber psychisch Kranken? Allein, indem die Wochenzeitung den Bericht über die Attacken einer psychisch kranken Frau unter der Rubrik Verbrechen veröffentlicht?

Es gibt weitverbreitete Vorurteile gegenüber psychisch kranken Menschen. Sie werden oft fälschlicherweise als kriminell betrachtet. Diese Stigmatisierung basiert auf Stereotypen wie der vermeintlichen Gefährlichkeit oder Unberechenbarkeit psychisch Kranker, die durch einseitige Medienberichte verstärkt werden können. 

Diskriminiert und ausgegrenzt

Psychisch kranke Menschen werden häufig pauschal diskriminiert und ausgegrenzt. Das führt zu sozialem Rückzug und einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands. 

Dabei zeigen Studien, dass nur ein kleiner Teil der psychisch Kranken tatsächlich gewalttätig ist, und die meisten keine Bedrohung darstellen. Die Stigmatisierung erschwert jedoch den Zugang zu medizinischer Hilfe und fördert gesellschaftliche Ausgrenzung.

Links zum Thema: Mythen und mehr

Mythen und Vorurteile | springermedizin.de https://www.springermedizin.de/mythen-und-vorurteile/27320960

Krank und kriminell, kriminell und krank – Deutschlandfunk https://www.deutschlandfunk.de/krank-und-kriminell-kriminell-und-krank-100.html

Stigmatisierung psychisch Kranker – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Stigmatisierung_psychisch_Kranker

„Sperrt den Irren endlich weg!“ Der Psychiatrie-Diskurs in deutschen … https://dg-pflegewissenschaft.de/wp-content/uploads/2017/06/PG-4-2006-Rompe.pdf

Stigma – Aktionsbündnis seelische Gesundheit https://www.seelischegesundheit.net/wissen/stigma/

Psychisch Kranke in Bayern: CSU-Gesetz behandelt … – Spiegel https://www.spiegel.de/politik/deutschland/psychisch-kranke-in-bayern-csu-gesetz-behandelt-kranke-wie-kriminelle-das-ist-falsch-a-00000000-0003-0001-0000-000002286054

Vorurteile – Irre menschlich Hamburg e. V. https://www.irremenschlich.de/basiswissen/vorurteile

Psychische Krankheiten sind keine Einbildung – Wie-gehts-dir.ch https://www.wie-gehts-dir.ch/assets/files/25-6-Ea1-Psychische-Krankheiten-sind-keine-Einbildung-Artikel-Beobachter-2018.pdf

Warum sind psychische Krankheiten oft mit Vorurteilen und Tabus … https://www.jetzt.de/gesundheit/warum-sind-psychische-krankheiten-oft-mit-vorurteilen-und-tabus-belegt

Hintergrundberichte zu meinem Spezialgebiet „Vermisste Menschen und die Situation ihrer Angehörigen“ im Experts Circle von Focus-online.

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