In dieser Woche befasst sich der Deutsche Bundestag mit zwei Gesetzentwürfen zu einer legalen Sterbehilfe. „Assistierte Sterbehilfe findet seit Jahren in einer Grauzone statt“, beklagte die Grünen-Abgeordnete Renate Künast. Ganz so ist das nicht: Besonders miserabel geht es jenen Menschen, die gar keine Hilfe bekommen.
Ich kenne diese Probleme seit Jahrzehnten durch mein Spezialthema „Vermisste Menschen“. Immer wieder verlassen verzweifelte Menschen ihre Familien und ihr gewohntes Lebensumfeld, um sich an einem unbekannten Ort in Wäldern, Industriebaracken oder Gewässern selbst zu töten.
Verein Sterbehilfe berät
Menschen, die Suizid begehen möchten, benötigen dringend Hilfe. Viele Politiker möchten die Verantwortung und die Verabreichung etwa eines Suizid-Cocktails den Ärzten zuschieben. Doch ich halte mehr davon, Experten wie jenen des „Verein Sterbehilfe e. V.“ dem ich mich kürzlich auch angeschlossen habe, einzubinden.
Die Organisation berät ihre Mitglieder und ermöglicht ihnen u. a. selbstbestimmtes Sterben im eigenen Haus und im eigenen Land wie auch – etwa durch eine Vereins-geprüfte Patientenverfügung – das Unterlassen von sinnlos gewordener intensivmedizinischer Lebensverlängerung auf Wunsch der Patientinnen und Patienten.
Viele begehen Suizid
Opfer einer unbefriedigenden gesetzlichen Regelung sind die Angehörigen von zur Selbsttötung bereiten Menschen. Meines Erachtens sind es jährlich allein im Bereich der Vermissten hunderte, wenn nicht mehr als 1000 Betroffene. Jedes Jahr registriert die Polizei in Deutschland mehr als 120.000 Bundesbürger*innen als vermisst.
Da es keine Statistiken über die Gründe für das Verschwinden dieser Menschen gibt, kann ich nur eine ganz persönliche Schätzung geben. Hinter den Vermisstenfällen stehen rund 500.000 nahe Angehörige sowie zusätzlich Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen.
Sorgen der Angehörigen
Ein Großteil dieser Angehörigen macht sich große Sorgen um die vermissten Menschen. Da die meisten die Gründe für das Verschwinden ihrer Verschwundenen nicht kennen, denken viele nicht nur an ein Unglück oder eine Gewalttat, sondern auch eine Selbsttötung der verschwundenen Person.
Für die meisten Angehörigen bedeutet das Verschwinden eines Menschen ein organisatorisches und psychisches Chaos. Auch wenn die meisten Vermissten in den ersten Wochen und Monaten wieder heimkehren, so sind das doch viele Tage voller Verzweiflung und Sorgen, schlaflosen Nächten und großen psychischen Störungen.
30 Jahre Erfahrung
Ich berate seit rund 25 Jahre Angehörige von Vermisste, nachdem ich mich seit den 1990er-Jahren mit dem Thema „Vermisste und die Situation der Angehörigen“ zunächst in Fernsehreportagen und einer WDR-Fernsehreihe und später in Bücher befasst habe.
Oft haben mir Angehörige von Ihren großen Problemen erzählt. Darüber berichte ich auch in meinem aktuellen Erzählband „Ohne jede Spur. Wahre Geschichten von vermissten Menschen“. Ganz besonders schlimm ist es für Angehörige, wenn sie eine Selbsttötung nicht ausschließen können, weil die vermisste Person vor ihrem Verschwinden bereits davon gesprochen hatte, sich etwas anzutun.
Viele Gründe für Suizid
Aber nicht nur für die Angehörigen ist das ein schrecklicher Zustand. Vor allem auch für die Menschen, die von einer Stunde zur anderen verschwinden, etwa weil sie unheilbar krank – beispielsweise bei Krebs „austherapiert“ – sind, depressiv oder aus Gründen wie Liebeskummer, aus finanzieller Notlage oder anderen Gründen zu einer Selbsttötung bereit sind.
Es gibt zwar Helfer wie die Telefonseelsorge und sicherlich auch etliche engagierte Ärzte, die helfen können. Aber das allein genügt nicht. Insbesondere wenn Menschen den starken Willen haben, sich zu töten, müssen Helfer mit Expertenwissen zur Stelle sein. Dabei könnten die Mitglieder etwa von Sterbehilfsvereinen den Betroffenen eine große Hilfe sein.
Foto: Jamin / Grabstein auf Sylt
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)