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Was ein Haftbefehl, Louisa Neubauer und der „Tag der vermissten Kinder“ gemeinsam haben

In dieser Woche schlagen drei Herzen in meiner Brust. Ich befinde mich in einer echten thematischen Autoren-Zwickmühle. Ich habe drei Themen, über die ich unbedingt in dieser Woche schreiben möchte. 

Alle drei Themen sind wichtig. Alle Themen liegen mir am Herzen. Und darum versuche ich einen Spagat, der eigentlich nicht möglich ist: Ich schreibe in dieser Kolumne über drei Themen und versuche, inhaltliche eine Brücke zu schlagen.

Mein WDR-Talk in „Hier und Heute“

Zum einen geht es um den 25. Mai, den „Tag der vermissten Kinder“. Dieses Thema „Vermisste Menschen und die Situation ihrer Angehörigen“ ist ja seit mehr als 30 Jahren, mein Spezialgebiet. Ich bin an diesem Tag wegen der vermissten Kinder in die WDR-Fernsehsendung Hier und Heute als Gesprächspartner eingeladen – schalten Sie gerne ein.

Zum anderen geht es um einen Haftbefehl der Türkei gegen den deutschen Journalisten und Co-Vorsitzenden des PEN Berlin, Deniz Yücel. Ich bin Autor und Mitglied des PEN und für mich ist die politische Entwicklung in der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan unerträglich. Und dann besuchte ich am vergangenen Sonntag einen Vortrag der Klimaaktivistin und Autorin Luisa Neubauer in Düsseldorfer Schauspielhaus.

Demokraten sollen Klimaschutz fördern

Je mehr ich darüber nachdenke, wie ich diese drei Themen in einer Kolumne vereinen kann, umso mehr sehe ich die Verbindung. Luisa Neubauer sprach in ihrem Vortrag u.a. über die Chancen der Demokratien in der Welt gemeinsam den Klimaschutz voranzutreiben und die Klimakatastrophe zu begrenzen.

Sie betrachtete die Partei der Grünen als absolutes Pro für Klimaschutz und die Hetzer-Partei AfD als absoluten Gegner. Dazwischen bewegen sich die Parteien SPD, CDU, FDP und Linke, die Chancen hätten, nicht nur einen Block zu bilden gegen Rechtsaußen, sondern vor allen auch den Klimaschutz mit ihrer ganzen Kraft voranzutreiben. Gelebte, lebendige Demokratie. Sie fordert die Demokraten auf, gemeinsam die Klimakatastrophe zu bekämpfen.

Haftbefehl gegen PEN-Co-Vorsitzenden

Und damit bin ich beim zweiten Thema, den Einschränkungen der Demokratie in der Türkei. Bei unserem NATO-Partner zählen nur noch 10 Prozent zur freien Presse. Der Rest der Medien ist regierungsabhängig. Journalisten und Oppositionspolitiker werden unterdrückt, viele gar eingesperrt. 

Jetzt hat ein Istanbuler Gericht einen Haftbefehl gegen den Co-Sprecher des PEN Berlin, Deniz Yücel, erlassen. „Jenseits von verfahrenstechnischen Hintergründen besteht der Skandal darin, dass dieser Prozess wegen »Verunglimpfung des türkischen Staates und der türkischen Nation« sowie wegen »Beleidigung des Staatspräsidenten« überhaupt eröffnet wurde“, 

stellt PEN Berlin klar..

2800 minderjährige Flüchtlinge vermisst

Yücels hat bereits ein Jahr wegen seiner Artikel in Untersuchungshaft gesessen. Sowohl das türkische Verfassungsgericht wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben das für rechtswidrig befunden und zugleich festgestellt: Alle Kommentare, Berichte und Interviews, die Deniz Yücel in der Tageszeitung „Die Welt“ veröffentlicht hat und die ihm zur Last gelegt wurden, sind von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt. Viele Journalist*innen und Oppositionspolitiker sind bereits vor dem diktatorischen Verhalten der türkischen Regierung geflüchtet. Politische Flüchtlinge, die das große Heer der Klima- und Wirtschaftsflüchtlinge verstärken.

Und damit komme ich zum letzten Thema, dem „Tag der vermissten Kinder“. Im vergangenen Jahr wurden allein in Deutschland rund 94.000 Kinder und Jugendliche bei der Polizei  als vermisst gemeldet. Darunter sind auch 2800 minderjährige Flüchtlinge im Alter von bis zu 17 Jahren. Irgendwo auf ihrem Weg durch Deutschland zwischen der Registrierung und einer endgültigen Unterbringung sind sie spurlos verschwunden. 

Vermisste Kinder schon Klimaflüchtlinge

Viele dieser jungen Flüchtlinge, die auf eine sichere Obhut in Deutschland hofften, sind Klimaflüchtlinge. Sie flüchten aus ihren Heimatländern, weil ihre Eltern sie nicht mehr ernähren konnten. Und weil sie keine Kinderarbeit mehr fanden, um sich selbst zu ernähren. Und weil kein Staat oder eine karitative Organisation da waren, die ihnen in ihrer Heimat geholfen haben. So machten sie sich also auf den Weg, in Deutschland eine bessere Zukunft zu finden. 

Wir können sicher sein, dass aus diesen 2800 minderjährigen Flüchtlinge noch viel mehr werden, wenn wir die Klimakatastrophe nicht aufhalten. Wenn also die demokratischen Parteien sich nicht endlich zusammenraufen und mit ihrer ganzen Kraft Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe vorantreiben.

Eines Tages Millionen vermisste Kinder

Aus den 2800 minderjährigen Flüchtlingen werden in den nächsten Jahren 29.000 minderjährige Flüchtlinge und in 20 oder 30 Jahren werden es dann 290.000 und schließlich auch 2,9 Millionen minderjährige Flüchtlinge sein, die auf dem Weg durch die Welt irgendwo spurlos verschwinden werden. 

Vielleicht wird sich die Welt dann auch so verändert haben, dass auch deutsche minderjährige Flüchtlinge irgendwo in der Welt verschwinden, weil auch das Leben in Deutschland und Europa nicht mehr lebenswert sein wird. 

Deutschland läßt vermisste Kinder allein

Zu verdanken haben wir das dann jenen, die heute nicht mit ihrer ganzen Kraft und Zuversicht gegen die Klimakatastrophe ankämpfen. Jenen Politikern, die politische Machtspiele spielen, die immer noch der fossilen Energie das Wort reden und denen die Zukunft der Kinder in der Welt vollkommen egal ist.

Ich weiß, worüber ich hier schreibe. Für die weit über 100.000 Vermissten in Deutschland, (94.000 Kinder und Jugendliche und 30.000 Erwachsene im Jahr 2022), die jedes Jahr bei der Polizei registriert werden, interessiert sich kein Politiker und kein Behördenmitarbeiter. 

In ganz Deutschland nur eine Beratungsstelle

Die Angehörigen finden keine Hilfe bei der Bewältigung ihrer psychischen und organisatorischen Probleme. Nur ein paar kleine Organisationen haben erkannt, wie wichtig etwa die Unterstützung der Angehörigen von Vermissten ist. Man muss sich einmal vorstellen: Es gibt in ganz Deutschland nur eine einzige Stadtverwaltung, die eine Beratungsstelle für Angehörige von Vermissten eingerichtet hat.

Der Oberbürgermeister von Emden, Tim Kruithoff, richtete im vergangenen Jahr in seiner Behörde ein Pilotprojekt für die Beratung von Angehörigen von Vermissten ein. Er hatte eine meiner Lesungen mit meinem 

Erzählband „Ohne jede Spur. Wahre Geschichten von vermissten Menschen“ besucht. Kruithoff ist der einzige Politiker in Deutschland, der aktiv etwas für die Angehörigen von Vermissten getan hat.

Foto: DALL·E 2023-03-22 –  So gestaltet Künstliche Intelligenz (KI)  einen vermissten Menschen in einer Menschenmenge.jpeg

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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de

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