Wir Menschen vergessen einfach so schnell. Wenn die Ereignisse des Tages in der Welt so vielfältig und bedrohlich sind wie der Klimawandel, vergisst man gerne, was gestern war.
Mich hat jetzt eine böse Schadensersatzforderung der Deutschen Presse-Agentur (DPA)
daran erinnert, zu welchen üblen politischen Aktionen die AfD in den vergangenen Jahren schon fähig gewesen ist.
Demonstration statt Trauermarsch
2018 habe ich beispielsweise auf Facebook einen Artikel von Spiegel-online geteilt. Die Überschrift lautete: „Der Schauermarsch“. In dem Artikel geht es um eine als „Trauermarsch“ deklarierte Demonstration von Rechtsextremen in Chemnitz.
Dort war zuvor auf einen 35-Jährigen ein tödlicher Messerangriff verübt worden. Demo-Teilnehmer von u. a. AfD, Pegida, NPD und Hooligans skandierten u. a. „Widerstand, Widerstand“ und „Wir sind das Volk“.
Auf Spiegel-Artikel hingewiesen
Ich habe damals auf Facebook den Artikel geteilt und mit folgendem Hinweis darauf aufmerksam gemacht: „Die Hetzer und Angsthasen sind jetzt eine Front: AfD, Höcke, NPD, Hooligans und Pegida in Chemnitz.“
Mir ging es dabei nicht um das Foto, sondern vor allem um den Text des Artikels. Ich fand ihn so wichtig und informativ, dass ich den Artikel gepostet habe.
Teilen auf Facebook ist normal
Solches Vorgehen war damals schon und ist heute auch vollkommen normal. Hunderttausende Facebook-Nutzer teilen jeden Tag Artikel jeglicher Art aus Medien, weil sie diese für richtig und wichtig halten.
Das gilt als eine normale Art von Meinungsäußerung. Solche Meinungsäußerungen werden ausdrücklich vom Grundgesetz geschützt in Deutschland. Das nennt sich Meinungsfreiheit.
DPA verlangt Kohle fürs Teilen
Nun will die Deutsche Presse-Agentur offensichtlich mit solchen modernen, seit Jahren üblichen Meinungsäußerungen Geld verdienen!? Jedenfalls habe ich ja jetzt, wie berichtet, eine Schadensersatzforderung von knapp 3000 EUR auf meinem Schreibtisch liegen.
Ich kann ein solches Vorgehen absolut nicht nachvollziehen. Allerdings habe ich im Internet gelesen, dass sich DPA und das Rechtsanwaltsbüro KSP offensichtlich der inzwischen weitverbreiteten künstlichen Intelligenz bedienen und mit lockerer Hand abzukassieren versuchen.
KI durchforstet Internet für DPA
Es gibt im Internet etliche Berichte darüber, wie KSP im Auftrag von DPA Picture-Alliance GmbH das Internet mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz nach von ihnen bezeichneten „Urheberrechtsverletzung in den sozialen Medien“ durchwühlen lässt.
Diejenigen, die solche Posts auf Facebook veröffentlicht haben, werden dann erst mal von KSP auf Schadensersatzforderung verklagt. Das KI-Geschäft scheint sich zu lohnen.
DPA-Abmahnung wegen Bildnutzung
Der auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwalt Daniel Baumgärtner schreibt in seinem Blog „Abmahnung 2024/2025 durch KSP Rechtsanwälte für DPA Picture-Alliance GmbH wegen unberechtigter Bildnutzung“ dazu: „Auch im Jahr 2025 werden weiterhin Abmahnungen wegen unberechtigter Bildnutzung auf sozialen Medien, wie Facebook versendet. (…) Davon betroffen sind oftmals kleinere Unternehmen und Vereine. Häufig handelt es sich bereits um ältere Beiträge aus den Jahren 2013–2020, welche nun durch die KSP Rechtsanwälte abgemahnt und von den Betroffenen Schadensersatz- und teils erhebliche Zinsansprüche geltend machen. (…) Wir sind Ihnen mit unserer Erfahrung im Urheberrecht und in derartigen Fällen gerne behilflich (…) und setzen uns durchsetzungsstark für Sie ein, um die Kosten zu reduzieren.“
Internet-Law kritisiert DPA
Der Münchner Fachanwalt für IT-Recht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in der Kanzlei SSB, Thomas Stadler, berichtet in diesem Zusammenhang von „Unseriösen Abmahnungen durch Presseagenturen“.
Er schreibt in
seinem Blog „Internet-Law“ dazu: „Presseagenturen wie DPA, DAPD oder AFP mahnen seit einiger Zeit immer wieder Blogger und Webseitenbetreiber wegen der Übernahme von Agenturmeldungen ab und verlangen Schadensersatz und Erstattung von Anwaltskosten wegen einer Urheberrechtsverletzung. Ob kurze Agenturmeldungen überhaupt urheberrechtlichen Schutz genießen, kann man durchaus bezweifeln.“
Ein Spiel mit der Meinungsfreiheit
Ich selbst geh davon aus, dass solches Verhalten ziemlich fragwürdig ist. Das ist praktisch ein – ich drücke es mal zurückhaltend aus – ein fragwürdiges Spiel mit der Meinungsfreiheit.
Offensichtlich verdient DPA mit dieser KI-Aktion viel Geld. Denn in vielen Fällen, so vermute ich, werden die Beklagten erst gar nicht vor Gericht gehen und sich wehren, sondern in Verhandlungen einen kleineren Teil der Forderungen von DPA und KSP bezahlen.
Mit Meinung viel Geld verdienen
Man sieht: Mit richtig angewandter künstlicher Intelligenz scheint sich offensichtlich viel Geld verdienen zu lassen. Und die neueste Variante scheint es zu sein, mit den Meinungsäußerungen von Leserinnen und Lesern auf Facebook Geschäfte zu machen.
Ich bin gespannt, wie viele Blogs ich zu diesem Thema noch schreiben werde, oder schreiben muss. Ich ahne schon, wie es um die freien Meinungsäußerungen, die heute noch vom Grundgesetz geschützt sind, aussehen wird, wenn erst einmal eine AfD-Regierung in Deutschland an der Macht ist.
Muss man zukünftig fürs Teilen zahlen
Sollte es in meinem Fall zu einem Prozess wegen der Schadensersatzforderung in Höhe von 3000 EUR durch DPA kommen, so wird es auch ein Prozess über die Frage von Meinungsfreiheit im Internet sein.
Dabei geht es dann schlicht um die Fragen: Dürfen User auf Facebook Nachrichten von Medien wie Spiegel online teilen, oder nicht? Muss man fürs Teilen von Nachrichten auf FB zahlen? Und darf man bei dieser Maßnahme seine freie Meinung dazu äußern?
Journalisten sind die Vierte Macht
Von Schriftstellern, Journalisten und Publizisten, zu denen auch ich seit Jahrzehnten gehöre, darf die Öffentlichkeit ja zurecht auf jeder Ebene der Medien Stellungnahmen zu Ereignissen in unserer Gesellschaft erwarten. Das ist geradezu eine Verpflichtung für die sogenannte Vierte Macht im Staat.
Da ist es natürlich irritierend, wenn nun die Deutsche Presse-Agentur, die ebenfalls zur sogenannten Vierten Macht im Staat gehört, einen Kollegen auf Schadensersatz verklagen will, der lediglich auf Facebook auf ein Ereignis der Rechtsextremen hingewiesen hat.
DPA-Chefredakteur war bei der RP
Dem mir persönlich bekannten Chefredakteur von DPA, @SvenGösmann, der früher einmal Chefredakteur der Rheinischen Post in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf war, habe ich übrigens nach Eingang der Schadensersatzforderung von KSP Rechtsanwälte und DPA Picture-Alliance GmbH eine Mail mit folgendem Inhalt geschickt: „Meint DPA das wirklich ernst?“
Hintergrundberichte zu meinem Spezialgebiet „Vermisste Menschen und die Situation ihrer Angehörigen“ im Experts Circle von Focus-online.
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Foto Geld: Jamin mit KI
Fotoporträt Jamin: Fyeo