Viele Journalisten in allen deutschen Medien haben sich in jüngster Zeit mit den möglicherweise kriminellen Vorgängen bei Auftritten der Berliner Metal-Band Rammstein befasst. Doch kaum einer dieser Autor*innen fragte sich, was denn Polizei und Staatsanwaltschaft unternehmen, um für Klarheit über die Vorwürfe gegen Bandmitglied Till Lindemann und andere mutmaßliche Täter zu sorgen.
Nur wenige kamen auf die Idee einmal die Pressestellen von Polizei oder Staatsanwaltschaften in München, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg oder Berlin anzufragen, ob denn überhaupt gegen die Band wegen strafbarer Aktivitäten ermittelt wird? Dabei ist das doch die Voraussetzung dafür, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Lärm statt Fakten
War es also ein typisches Sommergewitter der Medien? Viel Lärm, aber wenig Fakten? Denn es ist doch die Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft, in Fragen von möglichem sexuellem Missbrauch, Drogenhandel und anderen kriminellen Aktivitäten zu ermitteln. Das müssen die Behörden bei Bekanntwerden solcher Vorwürfe eigentlich von selbst, also ohne extra Aufforderung oder Anzeige von Dritten machen.
Ein Polizeisprecher äußerte sich dahin gehend, dass man sich nicht zu möglichen Ermittlungen äußern wolle, um Vorverurteilungen des oder der mutmaßlichen Täter zu vermeiden. Das irritiert sehr, denn so zurückhaltend sind Polizei und Staatsanwaltschaft selten. Ich dachte, dass man sich hinter solch einer Begründung verschanzt – um ein heißes Eisen nicht anfassen zu müssen.
Vorwürfe gegen Sänger
Bei den Mitgliedern der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ beispielsweise hatte die Münchner Generalstaatsanwaltschaft keine Hemmungen. Sie kündigte die Ermittlungen in Fragen der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sogar während einer besonders einberufenen Pressekonferenz an. Das riecht schon nach Hexenjagd.
Dabei sind die Vorwürfe gegen den Starsänger Till Lindemann, aber vielleicht auch gegen Bandmitglieder und Mitarbeiter bzw. Partner oder Beauftragte der Musikgruppe nicht minder gewaltig. Wie bei der „Letzten Generation“ geht es dabei auch um Verkehrsdelikte – aber einer ganz besonderen Art. „Schwere Vorwürfe gegen Frontmann Lindemann“, schrieb etwa der Musikredakteur der Tageszeitung Rheinische Post, Philipp Holstein, in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf.
Schweigend wie Scholz
Bei jedem simplen Verkehrsunfall eilt die Polizei automatisch an den Unfallort, dachte ich mir. Aber wenn so schwerwiegende Vorwürfe wie sexuelle Nötigungen oder Verabreichung von Drogen und K.-o.-Tropfen von jungen Zuschauerinnen von Konzerten im Gespräch sind, lässt sich kein Polizist und kein Staatsanwalt sehen.
Da hat man das Gefühl, dass Polizei und Staatsanwaltschaften bei Bundeskanzler Olaf Scholz in die Lehre gegangen sind. Schweigen ist Gold?! Gefährlich – denn dieses Verhalten schafft in der Bevölkerung nur Verunsicherung und Ängste. Die Bürger*innen verlieren rasch das Vertrauen in einen Staat, der junge Frauen mit ihren Problemen im Umfeld von mutmaßlichem, kriminellem Verhalten machtbewusster Akteure allein lässt.
Bürger ohne Vertrauen
Nur sehr wenige Journalist*innen recherchierten, was denn an den Vorwürfen tatsächlich Tatsache sein könnte. Sie registrierten in ihren Artikeln die Vorwürfe, manche ließen auch Zeug*innen zu Wort kommen, fragten aber nicht bei der Polizei nach, was die Kriminalisten davon halten?
Dagegen zeigte Rammstein schnell klare Kante:
- Droht gegen vermeintlich falsche Medien-Veröffentlichungen juristisch vorzugehen.
- Beauftragt Rechtsanwälte mit einer Untersuchung der Vorgänge, also der Befragung von möglichen Opfern und Zeugen.
Das sind Methoden, die auch schon andere Mächtige wie die Katholische Kirche unternommen haben, um Kritik zu unterdrücken oder gar Opfer zu beeinflussen.
Kriminelle Vereinigung?
Dabei kommen bei Betrachtung der zahlreichen Medien-Berichte möglicherweise eine Reihe von Straftaten schweren Kalibers zusammen – meine Meinung:
- Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung
- Zuhälterei zum Nachteil von jungen Mädchen und Frauen
- Drogenmissbrauch und -handel zur Ermöglichung von Geschlechtsverkehr
- Schwere Körperverletzung durch Verabreichung von K.-o.-Tropfen
- Nötigung durch psychische Gewalt
- Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen
Wohlgemerkt: Noch ist nichts bewiesen und es gilt die Unschuldsvermutung für mögliche Täter. Aber wenn man die Initiative der Untersuchung der Vorgänge der Band Rammstein und ihren Anwälten überlasst, ist zu befürchten, dass Zeuginnen beeinflusst und manipuliert werden könnten. Zur juristischen Einordnung hat hier
ein Rechtsanwalt und Kolumnist eine interessante Betrachtung geschrieben.
Mauer des Schweigens
Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Bücher über Opfer von Sexualstraftaten geschrieben. Die möglichen Opfer von Rammstein wären nicht die Ersten, die von den Strafverfolgungsbehörden, aber auch von der Öffentlichkeit nicht beachtet und allein gelassen werden. #MeToo-Betroffene etwa haben darüber in den vergangenen Jahren vielfältig berichtet.
Bis am Donnerstagnachmittag hoffte ich trotzdem, dass es in Deutschland mutige Polizisten und Staatsanwälte gibt, die in dieser düsteren Schmuddelecke der deutschen Musikgeschichte ermitteln. Ich wurde nicht enttäuscht.
Ermittlung gegen Sänger
Am 14. Juni 2023, um 18:13 Uhr, meldete die Süddeutsche Zeitung, dass die Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsverfahren gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann eingeleitet habe: „Laut Staatsanwaltschaft seien die Ermittlungen von Amts wegen und aufgrund mehrerer Anzeigen Dritter – nicht am etwaigen Tatgeschehen Beteiligter – aufgenommen worden. Es lägen Tatvorwürfe aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln vor.“
Fortsetzung folgt – allerdings nicht so bald. Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam, aber oft zuverlässig.
Foto: Dalle-E / mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstelltes Motiv von Macht & Erniedrigung
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)