Die UEFA, der Club der Fußball-Millionäre, lädt zum großen Stell-dich-ein, lässt sich von den Fernsehsendern Europas mit vielen Millionen Euro fördern – und sucht 16.000 Ehrenamtler für die Dienstleistungen bei den Spielen der Europameisterschaft 2024. So geht Ausbeutung unter dem Deckmantel des „Deutschen Ehrenamt“, über das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagt: „Demokratie lebt vom Ehrenamt“.
Sicher, es werden sich genug „Volunteers“ finden, die ohne Kohle arbeiten werden. Junge Menschen sind schließlich begeisterungsfähig und glauben oft noch an das Gute hinter billigen Werbesprüchen: „Volunteer für die UEFA EURO 2024 zu sein, bietet dir eine einmalige Gelegenheit Teil des Turniers zu werden und es hautnah mitzuerleben.“
Für Fußball gut genug
Sie werden zwar als Z-Generation kritisiert, wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt: „Viertagewoche, Workation, Homeoffice: Laut einer Studie haben Menschen unter 30 höhere Ansprüche an ihre Arbeit. Das stellt Unternehmen vor eine Herausforderung.“
Doch für den Fußball der Millionäre sind sie als Billigstarbeiter gut genug. Dabei werden ohne Lohn bei den Europameisterschaften 2024 nur die Ehrenamtler arbeiten. Hinter den Kulissen und auf dem Spielfeld geht es um Millionen Euro.
Keine Karte fürs Stadion
Etliche der Volontäre werden die Hoffnung haben, wenigstens das ein oder andere Fußballspiel kostenlos zu sehen. Doch am Spielfeldrand ist kein Platz für Zuschauer, die nicht dafür nicht tief ins Portemonnaie greifen.
Die Veranstalter stellen in ihren FAQs klar: „Leider können wir keine Tickets für die Spiele zur Verfügung stellen. Sofern du während der Spiele nicht im Einsatz bist, versuchen wir attraktive Möglichkeiten zu schaffen, die Spiele im Volunteer Center/Volunteer City Hub oder in der Fan Zone zu verfolgen“. Leinwand-TV kann man beim Public Viewing günstiger haben.
Viele Großstädte dabei
„Bei der UEFA EURO 2024 erwarten dich mehr als 25 verschiedene Einsatzbereiche und Positionen, die es dir ermöglichen hinter die Kulissen des Turniers zu blicken“ versprechen die Veranstalter. Gesucht werden die Null-Euro-Jobber in den Städten Düsseldorf, Köln, Gelsenkirchen, Dortmund, Hamburg, Berlin, Leipzig, München, Stuttgart und Frankfurt.
Die Mitarbeiter*innen auf Zeit sind da prima Verfügungsmasse: „Je nach Spielplan und Spielort können sich die Anzahl der benötigten Volunteers, deren Einsatzbereiche und Positionen sowie die erforderliche Verfügbarkeit ändern“. Vor dem Turnierstart würde jeder Volunteer für seinen Einsatzbereich geschult.
4 Mrd. UEFA-Umsatz
Die Geldmaschine Fußball benötigt jeden Cent, um Spieler, Funktionäre & Co zu bezahlen. Der Fußball der großen europäischen Vereine ist nicht das Hobby von begeisterten, ehrenamtlich kickenden Fußballspielern, sondern eine Industrie, ein Wirtschaftsfaktor.
Ein paar Zahlen: In der Saison 2021/2022 lag der Gesamtumsatz der UEFA bei rund 4,1 Milliarden Euro. Der Präsident soll 2022 rund 2,7 Millionen Euro im Jahr kassiert haben.
150 Mio. € für Senderechte
Ähnlich hoch sind auch die Gehälter der Trainer von Bayer Leverkusen oder RB Leipzig. Für die Übertragungsrechte der EM 2020 zahlten ARD und ZDF – so die Süddeutsche Zeitung –geschätzt 150 Millionen Euro.
Die Kicker auf den EM-Plätzen spielen ebenfalls in der Millionen-Euro-Liga. Toni Kroos ist der bestbezahlte deutsche Fußballer. Er verdient – so eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2022 – rund 21 Millionen Euro jährlich bei seinem Arbeitgeber Real Madrid. Die EM-2024-Eintrittspreise für den Stadionbesuch werden voraussichtlich zwischen 50 und 250 € liegen.
Millionen für die Kicker
Die Gewinner der Europameisterschaften kassieren noch weitere Millionen Euro ab. Wer es ins Achtelfinale schafft, so Schätzungen, erhält 9,6 Millionen. Viertelfinalisten kassieren weitere 10,6 Millionen, Halbfinalisten 12,5 Millionen. An die Teilnehmer des Endspiels zahlt die UEFA jeweils 15,5 Millionen, der Sieger bekommt weitere 4,5 Millionen obendrauf.
Nicht mal einen Mindestlohn erhalten dagegen die Volontäre, die den Starverdienern den Weg ins Stadion freihalten. Oder den Fußballfans am Bahnhof den Weg zum Stadion erklären. Dabei könnten viele dieser Arbeitslosen und Studierenden sicher ein wenig Geld für Ihren Lebensunterhalt gut gebrauchen.
Deutschland zufrieden
Die Veranstalter erwarten von den Mitarbeiter*innen ein Mindestalter von 18 Jahren und englische und deutsche Sprachkenntnisse. Weiterhin müssen sie mehrere Wochen mindestens an den jeweiligen Spieltagen für mindestens 6 bis 9 Stunden am Veranstaltungsort verfügbar sein.
Ganz Deutschland findet diese Ausbeutung offensichtlich okay. Sogar der ehemalige Polizeipräsident von Leipzig, Bernd Merbitz, animiert in einem Video mit einem UEFA-Standard-Spruch zum Mitmachen: „Sei Teil dieses sportlichen Ereignisses.“
Billige Sprüche statt Lohn
Genau: Statt mit einem fairen Lohn werden die Hilfskräfte (werberisch aufgehübscht: Volunteers) mit billigen Sprüchen abgefunden:
- Sei Teil eines bedeutsamen Sportevents!
- Lerne Leute aus ganz Europa & der Welt kennen!
- Sei ein Botschafter für deine Stadt & dein Land!
- Stärke deine Kompetenzen & lerne dazu!
- Mach einzigartige Erfahrung!
Viel Geld für Werbung
Man kann sicher sein, dass an dieser Volontär-Kampagne der UEFA eine Werbe- und Eventagentur viel Geld verdient hat. In meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf werden 1600 Volontäre eingesetzt. Würde man ihnen die 840 € steuerfreie Ehrenamtspauschale bezahlen, würde der Stadtetat mit knapp 1,35 Millionen Euro belastet.
Nicht viel, wenn man bedenkt, dass Düsseldorf für voraussichtlich mehr als eine Milliarde Euro eine neue Oper bauen will. Dort wird übrigens jede Eintrittskarte der meist gut betuchten 260.000 Besucher mit rund 130 € subventioniert. Macht 33,8 Millionen Euro jährlich.
Gewerkschaft ist gefordert
Es wird Zeit, dass hier die Lohnexperten des Deutschen Gewerkschaftsbundes einmal genau hinsehen, wo im Fußball viel zu viel, aber vor allem wo viel zu wenig verdient wird. Mit den 16.000 Volontären könnte man anfangen.
Eine Antwort auf meine Anfrage an den DGB steht noch aus. Nächsten Freitag also mehr von den Spielen der Millionäre und ihren Null-Euro-Jobbern.
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)