Der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in der Gewerkschaft ver.di findet klare Worte: Die Bundeshilfen zur Überwindung der Corona-Krise helfen vielen – aber die existenziellen Not der Autor*innen und Übersetzer*innen in Deutschland bleibt.
Dem kann ich nur zustimmen. Zwar erhält der ein oder andere Autor als Soloselbstständiger Soforthilfe. Doch darf er davon zwar seinen Notizblock und den Kugelschreiber bezahlen, nicht aber davon seinen Lebensunterhalt bestreiten. Manche haben immerhin für zwei Monate einen Künstlerbonus über 2000 Euro für Kaffee, Brot und Käse bekommen.
Viele Veranstaltungen weggebrochen
Die Bundesvorsitzende des VS, Lena Falkenhagen, klagt zu recht: „Deutschland braucht nicht nur ein Bekenntnis zur Buch- und Wissenskultur, sondern muss diese Kultur auch durch Budgets und neue Kulturgesetze untermauern.“
Lesungen in Buchhandlungen, bei Messen, in Literaturhäusern und Bibliotheken und Schulen und die Auftritte bei Festivals und Veranstaltungen seien komplett weggebrochen. Auch Buchprojekte, Buchpreisverleihungen und Übersetzungsprojekte wurden verschoben oder storniert.
Autor*innen ohne Einnahmen
Ich selbst habe das erfahren. Keine Lesungen. Keine TV-Jobs. Kein neuer Buchvertrag. Ein Podcast-Projekt ist in Sicht, aber noch nicht unter Dach und Fach. Bis Jahresende vermutlich nur maue Einnahmen.
Etliche Einnahmequellen der Autor*innen – wie Drehbuchaufträge für Film und Stückeaufträge fürs Theater oder Literaturseminare – sind mit den Kontaktverboten seit dem März 2020 nahezu versiegt. „Die arme Poetin ist inzwischen gesellschaftliche Realität geworden“, so Falkenhagen.
Durch Corona in prekäre Lage
„Bedingt durch die Einschränkungen der Corona-Krise sind viele Verlage, Buchhandlungen sowie Autorinnen und Autoren unverschuldet in eine finanziell prekäre Lage geraten, die häufig existenzbedrohend ist“, stellt auch die Schriftstellervereinigung PEN fest.
Sie fordert die Bundesregierung, die Bundesländer sowie die Kommunen dazu auf, ihr Ankaufsbudget für Bücher in allen öffentlichen Bibliotheken in diesem Jahr zu verdoppeln. Ganz nach der Devise: Mehr Buchverkauf, mehr Autorenhonorar.
Fond für ausgefallene Lesungen
Die Schriftsteller-Gewerkschaft fordert u.a. sogar einen Fonds für den Buchbetrieb (Buchhandlungen, Literaturhäuser, Verbände, Bibliotheken, Schulen etc.), aus dem den Autoren ausgefallene Lesungen erstattet werden können.
Sicher auch eine gute Hilfe. Mein Kollege, der Düsseldorfer Krimiautor Horst Eckert, stellte jüngst auf Facebook fest: „Diese Woche sollte ich in Uetersen lesen, auf Föhr, im Hamburger Speicherstadtmuseum, in einem Kälberstall bei Willich – der Endspurt meiner Frühjahrs-Lesetour. Abgesagt wie weitere 41 Lesungen seit dem 12. März. Der Lufthansa zahlt die Regierung 9 Mrd. Euro Entschädigung für ihre Ausfälle aufgrund der Pandemie-Auflagen. Für soloselbstständige Kulturarbeiter plant sie: Nichts…“
Ende der Bescheidenheit – jetzt
Eckert spricht Klartext: „Kulturstaatsministerin Grütters verweist auf Hartz IV. – Da könnt ihr euch vorstellen, was unsereins so durch den Kopf geht angesichts der aktuellen Beratungen der Groko über weitere Hilfen in Höhe von 80-100 Mrd. Euro u.a. für Konzerne wie VW, Daimler und BMW (bzw. deren Großaktionäre, die Familien Porsche und Piech, Li Shufu, Susanne Klatten, Stefan Quandt sowie Kuwait und Qatar). So, das musste jetzt mal raus.“
Unter Deutschlands Autorinnen und Autoren breitet sich nicht nur Frust, sondern auch Wut aus. Die Kulturarbeiter werden von der Politik – wie die Pflegekräfte – für ihre wertvolle Arbeit gerne gelobt. Das war`s dann aber auch. In den 1960er Jahren hefteten Deutschlands Schriftsteller, allen voran Heinrich Böll, drei Worte auf Ihre Fahnen: Ende der Bescheidenheit. Dafür wird’s mal wieder Zeit.
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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de)