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Wird mich eine rechtsextreme AfD-Regierung nach einem Wahlsieg „remigrieren“?

Jüngst trafen sich rund zwei Dutzend Personen in einem feudalen Herrschaftshaus in Potsdam: Mitglieder der AfD, der Identitären Bewegung, rechtsextrem orientierte Juristen, Politikerinnen, Unternehmer, Ärzte und auch zwei Mitglieder der rechtslastig-konservativen WerteUnion, die sich in der CDU wie ein Geschwür ausgebreitet haben. 

Das Vorhaben der Geheimgesellschaft: Sie schmiedete an einem Masterplan, wie Millionen Migranten und Deutsche mit Migrationshintergrund nach einer Regierungsübernahme aus der Bundesrepublik nach Afrika remigriert, also: vertrieben, werden könnten. Eingeladen zum Ausländer-Raus-Gipfel hatte ein Zahnarzt aus meinem Lieblingswohnstadtteil Düsseldorf-Oberkassel. Aufgedeckt hatte den 

Skandal („Geheimplan gegen Deutschland“), der seit Tagen bundesweit Schlagzeilen macht, die Investigativ-Recherche-Redaktion Correctiv.

Demokratie ist gefährdet

Angesichts der politischen Lage, der Stärke der in Teilen rechtsextremen „Alternativen für Deutschland“, frage ich mich, wann ich selbst möglicherweise remigriert, also ausgewiesen werde. Oder flüchten muss, weil ich etwa von einer rechtsextremen AfD-Regierung verfolgt werde. 

Im Freundes- und Bekanntenkreis habe ich in den vergangenen Jahren angesichts des Erstarkens der AfD des Öfteren darüber gesprochen. 

Ausländer, Migranten, Linke, Kritiker aus dem Bürgertum, Künstler, Schriftsteller und viele andere, die heute noch frei ihre Meinung etwa über AfD, Nazis und Rechtsextreme sagen (dürfen), können nicht sicher sein, dass Deutschland noch viele Jahre eine Demokratie bleibt. Denn der Abbau von demokratischen Grundrechten wie der Meinungsfreiheit kann innerhalb weniger Jahre passieren – wenn die falsche Partei gewählt wird und an die Macht kommt.

Grundwerte der Demokratie

Gerade erst fragte mich eine Freundin per Mail: „Ich lese in letzter Zeit verstärkt von einer sich ausbreitenden Bedrohung der Demokratie in Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Habeck sprach z. B. davon. Aber was genau ist damit gemeint? Welche Grundpfeiler der Demokratie werden konkret bedroht und von wem?“

Die wichtigste Antwort gab die Schreiberin gleich selbst: „Grundwerte der Demokratie sind die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung, die Unabhängigkeit der Gerichte, der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft, allgemeine, freie und geheime Wahlen, die Aufteilung der Staatsgewalt bei Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung auf voneinander unabhängige Organe und die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.“

Gedankenspiel wird ernst

Das alles steht bei einer Machtübernahme einer rechtsextremen AfD zur Disposition. Denken wir nur an Ungarn, wo es nur noch eine eingeschränkte Meinungsfreiheit gibt. Und erst recht an Russland, wo Meinungsfreiheit, eine freie Presse und Opposition kaum mehr vorhanden sind. Staatlich regulierte, gleichgeschaltete öffentlich-rechtliche Medien sind – wie wir auch aus Polen wissen – ein weiterer Schritt zur totalen Meinungskontrolle einer Regierung. Und da ist dann auch der Weg nicht weit zu einer staatlichen Beeinflussung und Entmachtung der Gerichte.

Was ich lange nur für ein intellektuelles Gedankenspiel gehalten habe, nimmt jetzt auch bei uns ernste Züge an: Mit einer Stärkung der Rechtsextreme in der Bundesrepublik sollten vor allem auch die kritischen Bürger*innen darüber nachdenken, wohin sie vielleicht in zehn Jahren fliehen müssen?! Wenn eine, zum Teil heute schon rechtsextreme AfD und ähnliche Parteien in ferner Zukunft an der Macht sein werden.

Jagd-Plan in der Schublade

Wie geschrieben, mache ich mir schon längere Zeit Gedanken darüber, wie bei einer Regierungsübernahme durch Rechtsextreme meine Zukunft aussehen könnte. Werde auch ich vielleicht zwangsweise ausgewiesen werden? Ich erinnere mich noch gut an den ebenso berühmt-berüchtigten wie bedrohlichen Schlachtruf des 

AfD-Führers Alexander Gauland (Foto): „Wir werden sie jagen (…)  und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ 

Während des Nazi-Regimes konnten meine Vorfahren zwar den sogenannten Arier-Nachweis erbringen – man war also staatlich anerkannter Bio-Deutscher. Aber man kann nicht sicher sein, dass das auch für die neuen Nazis gilt. 

Wer weiß, welche Masterpläne etwa für die Jagd auf Intellektuelle bereits bei der AfD in der Schublade liegen.

Juden denken an Flucht

Man kann heute auch noch nicht wissen, wie eine rechtsextreme AfD-Regierung morgen die Ausweisung von „Deutschen mit Migrationshintergrund“ auslegen wird. In Diktaturen und Autokratien sind die Bürger*innen der Willkür der Politik und ihren Gesetzen ausgesetzt. Da gibt es kein Grundgesetz mehr, nach dem sich die Regierenden verhalten müssen. Und keine Gerichte, die der Willkür des Staates Einhalt gebieten.

Viele Juden denken bereits darüber nach, Deutschland wegen der Anfeindungen zu verlassen. Der TV-Moderator und frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, @MichelFriedman, kündigte schon 2019 an, er wolle gehen, wenn die AfD an die Macht kommt. Im vergangenen Jahr wurden seine Überlegungen konkret: „Seit einiger Zeit überlege ich, ob ich meine Koffer aus dem Schrank holen soll.“

Yamin ein arabischer Name

Auch bin ich – wenn man es genau betrachtet – ein Deutscher mit Migrationshintergrund. Im 17. Jahrhundert flüchteten meine Vorfahren, zwei Hugenotten-Brüder, von Frankreich nach Deutschland. Damals immigrierten eine Viertelmillion Hugenotten vor der Verfolgung. Nach Überlieferung in meiner Familie sollen die Vorfahren unserer französischen Hugenotten-Familie wiederum aus dem arabischen Raum stammen. 

Dafür spricht, dass mein Name „Jamin“, mit Y geschrieben, arabischen Ursprungs ist. Der Jungenname Yamin ist eine arabische Schreibvariante des biblisch-hebräischen Namens Jamin. Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Name „der Gerechte“ oder „die rechte Hand“.

Meine ungewisse Zukunft

Was bedeutet das nun für meine Zukunft in Deutschland? Werden die 

Hetzer-Partei AfD und ihre rechtsradikalen Verbündeten mich nach einer Regierungsübernahme als echten Deutschen anerkennen? Oder werden sie mich wegen meiner arabischen Vorfahren verfolgen und ausweisen oder in ein Arbeitslager sperren? Vielleicht ist meine Abstammung dann für eine zukünftige Nazi-Regierung ein willkommener Anlass, einen hartnäckigen Kritiker der AfD schnell loszuwerden.

Auch in der Nazizeit wurden Kritiker des Regimes – etwa Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler – verfolgt und in einem KZ eingesperrt und ermordet. Auch wenn ich heute noch nicht um meine Freiheit und mein Leben fürchten muss, so geht mein Blick doch sorgenvoll in die Zukunft: Werde ich in wenigen Jahren aus einem AfD-Deutschland fliehen müssen? 

In zehn Jahren Nazi-Staat?

Bei der Bundestagswahl 2025 wird die AfD voraussichtlich noch keine Regierungs-Mehrheit im Bundestag und Regierungsmacht im Staat erlangen. Aber ob fünf Jahre später nicht ein rasanter, extremer Rechtsschwung unter den deutschen Wählern stattfindet, mag heute niemand sagen. 

Das bedeutet für mich, dass ich in zehn Jahren wissen muss, wo ich in Zukunft leben kann. Ich tendiere im Moment zu Indien, wo ich einen Ort kenne, an dem ich mir vorstellen kann zu leben. Den Ort möchte ich aber nicht verraten, denn man weiß doch nicht, inwieweit heute schon Rechtsextreme Listen führen über ihnen unliebsame Bürger*innen, die man später loswerden will. 

Millionen Migranten raus

Alles ist möglich in einer Zeit, da Geheimtreffen organisiert werden, auf denen sich AfD-Mitglieder und Rechtsextreme einen Masterplan für die so genannte „Remigration“ (eine Wort-Alternative für „Ausländer raus“ und das Unwort des Jahres 2023) von Millionen Migranten und Deutschen mit Migrationshintergrund ausdenken.

Für viele mögen meine Überlegungen ja irritierende Zukunftsmusik sein. Düstere Aussichten von einem besorgten Menschen. Aber zu den Qualitäten von vorausschauenden Menschen gehört nun einmal, weiterzudenken als bis morgen. Und man muss bedenken: AfD-Politiker wie der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer haben schon mehrmals festgestellt, dass eine millionenfache Remigration eine „Kernforderung der AfD“ ist.

Ein neues Nazi-Deutschland

Intellektuelle aus der Zeit des untergegangenen Nazi-Deutschlands wussten nach Kriegsende davon zu berichten, dass viele damals zu lange überlegt oder gar nicht daran gedacht haben, wo sie außerhalb von Nazi-Deutschland ihre Zukunft verbringen könnten. 

Als sie dann flüchten wollten, war es zu spät. Da standen die Nazis-Mörder und ihre Helfershelfer bereits vor der Tür. Der Rest ist Geschichte, die sich möglicherweise in nicht zu ferner Zukunft wiederholen wird.

  • Das rechte Geheimtreffen in Potsdam zur sogenannten Remigration hat ein Düsseldorfer Zahnarzt initiiert. Jetzt wird es in der NRW-Landeshauptstadt und in vielen anderen Städten Deutschlands große Demonstration gegen die AfD geben. Treffpunkt: 27. Januar 2024, 12 Uhr, am DGB-Haus an der Friedrich-Ebert-Straße in Düsseldorf. Ich bin dabei.
  • Millionen Bürger*innen fordern ein Verbot der drei AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Sie gelten bereits als gesichert rechtsextrem. Ich habe zugestimmt.
  • Der Deutsche Bundestag befasst sich am Donnerstag, 18. Januar 2024, in einer Aktuellen Stunde mit dem Treffen von Rechtsradikalen und AfD-Funktionären in Potsdam. Das sehe ich mir auf Phönix-TV an. 

Foto: ZDF / AfD-Führer Alexander Gauland und sein berühmter Hetzer-Spruch

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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de

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