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Die UEFA-EURO-2024-Schande, Folge VI: Wie die Spiele der Millionäre das Ehrenamt beschädigen

Jüngst sah ich den ARD-Fernsehfilm „SOS Karibik“. Die Autorin @XeniaBöttcher begleitete einige Volunteers von Hilfsorganisationen bei ihrem Kampf um das vom Klimawandel bedrohte Paradies. 

In Belize forstet das Team von „Fragments of Hope“ das Korallenriff auf, junge Menschen von „All Hands and Hearts“ helfen in Peru beim Wiederaufbau einer Grundschule.

Besser ab in die Karibik

Ich möchte den 16.000 Volunteers der im nächsten Jahr in zehn deutschen Großstädten stattfindenden Fußballeuropameisterschaft empfehlen, lieber bei solchen Initiativen mitzumachen. Da ist ihr Ehrenamt-Engagement jede Kraftanstrengung wert. 

Bei der UEFA Euro 2024 unterstützen die Null-Euro-Jobber nur das Amüsement der Millionäre – derer auf dem grünen Rasen und jenen hinter den Kulissen. Der Präsident der UEFA verdient jährlich rund 2,7 Millionen Euro.

Null-Euro-Job für UEFA

Zeit also für eine Schlussbetrachtung: Mehrere Wochen in sechs Folgen habe ich nun in meinen Freitags-Kolumnen über die fragwürdigen Methoden bei der UEFA Euro 2024 berichtet. Über die 16.000 Volunteers, die da ohne Bezahlung beschäftigt werden. Über die UEFA Euro 2024, die durch die EM rund 1,19 Milliarden Euro verdienen wird. Und was u.a. Politik und Gewerkschaft dazu sagen.

Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Ehrenamtler jetzt einen Mindestlohn, eine Aufwandsentschädigung oder eine steuerfreie Ehrenamtspauschale von 840 Euro erhalten würden. Warum sollte man engagierte Student*innen und Arbeitslose auch bezahlen, wenn sie sich doch begeistert als Ehrenamtler zum Nulltarif ausnutzen lassen?

6,7 Milliarden-Euro-Etat

Es wird also spätestens im nächsten Jahr zum Start der EM 2024 eine Diskussion in unserer Gesellschaft darüber notwendig sein, für welche Bereiche man Ehrenamtler als Null-Euro-Jobber einsetzen darf – und wo es der Anstand gebietet, das nicht zu tun. 

Es ist ein Unterschied, ob sich Freiwillige in einem kleinen Sportverein oder in einem Sozialprojekt engagieren, oder ob sie für ein „Wirtschaftsunternehmen“ wie die UEFA kostenlos arbeitet. Der Etat für die Saison 2023/24 sieht Einnahmen in Höhe von 6,7 Milliarden Euro vor.

Für Minister Heil okay

Was nicht nur mich, sondern auch Fußballbegeisterte besonders erschüttert: Die mangelnde Wertschätzung der Volunteers durch die UEFA und der zehn deutschen EM-Großstädte, Düsseldorf, Köln, Gelsenkirchen, Dortmund, Hamburg, Berlin, Leipzig, München, Stuttgart und Frankfurt, geht so weit, dass man den fußballbegeisterten Ehrenamtlern nicht einmal für ein einziges Spiel der EM eine Freikarte gönnt. 

Für das Bundesministerium für Arbeit, von SPD-Minister Hubertus Heil geführt, ist diese miese Entlohnung offensichtlich kein Problem. „Ehrenamtliche Tätigkeiten müssen grundsätzlich nicht vergütet werden; das Mindestlohngesetz findet auf ehrenamtlich Tätige keine Anwendung …“, heißt es in einer sehr bürokratisch formulierten Stellungnahme.

Innere Haltung wichtig

„… Bei ehrenamtlich Tätigen liegt keine berechtigte Vergütungserwartung vor. An deren Stelle treten hier ideelle Zwecke: Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die ehrenamtliche Tätigkeit in Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls“, heißt es weiter – so formuliert man, wenn man sich nicht klar positionieren will. 

Ich hatte schlicht gefragt, ob es sich bei den Tätigkeiten der Volunteers wie etwa Fahrdienst, Anti-Doping-Kontrollen, Verkehrsüberwachung oder Ticketkontrolle nicht um ganz normale Lohntätigkeiten handelt, die eigentlich bezahlt und nicht Ehrenamtlern überlassen werden sollten? Antwort: „Die Ausübung eines Ehrenamtes dient also nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz des ehrenamtlich Tätigen, sondern der Förderung des Gemeinwohls. Voraussetzung für eine ehrenamtliche Tätigkeit ist, dass die Tätigkeiten für eine gemeinwohl-orientierte Einrichtung erbracht werden.“

Ministerium pro UEFA

Aha! Für Bundesminister Heil ist das Milliarden-Unternehmen UEFA also eine am Gemeinwohl orientierte Einrichtung: „Soweit das Rechtsverhältnis zwischen der UEFA EURO 2024 GmbH und den im Rahmen der EURO 2024 eingesetzten Volunteers in diesem Sinne durch die Förderung von Gemeinwohlzwecken und nicht durch eine berechtigte Vergütungserwartung geprägt wird, handelt es sich dabei also nicht um ein Arbeitsverhältnis. Maßgeblich für die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses sind die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung des Volunteer-Programms vor Ort und im Einzelfall.“ In verständliches Deutsch übersetzt, heißt das: Die UEFA kann ruhig mehr als eine Milliarde Euro an der EM 2024 verdienen – wenn die 16.000 Volunteers so blöd sind, ihre Tätigkeit als Gemeinwohl zu betrachten, müssen die Ehrenamtler nicht bezahlt werden. 

 Große Champagnersause

@CeliaŠašić, DFB-Vizepräsidentin und (sicherlich fürstlich honorierte) Botschafterin der UEFA EURO 2024, sagte im Juni dieses Jahres über die Bedeutung des Ehrenamtes: „Nach wie vor engagieren sich Menschen in Deutschland aus freien Stücken für eine gute Sache, das ist eine tolle Leistung. Wir wollen das Ehrenamt, die Basis des Fußballs, den Kitt für unser Land, mit der Euro 2024 stärken. Und wir wollen gemeinsam ein großes Fest feiern.“ Die Funktionärin meint vermutlich eine Champagnersause in den Chefetagen von UEFA und DFB – ohne die 16.000 Volunteers, deren Ehrenamts-Arbeit ihnen rund 33 Millionen Euro auf den dann vorhandenen EM-Milliarden-Euro-Gewinn zusätzlich eingebracht hat.

„Um den Zuschlag für die Fußball-Europameisterschaft 2024 zu bekommen, haben die deutschen Gastgeberstädte dem Europäischen Fußballverband UEFA einst weitgehende rechtliche, organisatorische und finanzielle Zugeständnisse gemacht“, klagte schon im September 2022 Deutschlands viertgrößte Tageszeitung, die Düsseldorfer Rheinische Post, „die reichen von den Vermarktungsrechten über Regeln für Kneipen bis hin zu Nachlässen bei der Einkommens- und Körperschaftssteuer und eigenen Landezeitnischen (auf Flughäfen, d. Autor) für das Unternehmen UEFA. Das war schon 2017 ein falsches Signal, heute wirkt es in der aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Situation noch fataler“.

NRW-Grünen-Chef empört

Besonders verwerflich ist, dass durch den Einsatz von 16.000 Volunteers das so wichtige Ehrenamt für tatsächlich am Gemeinwohl interessierte Initiativen und Organisationen durch die Spiele der Millionäre beschädigt wird.

@TimAchtermeyer, Landesvorsitzender der GRÜNEN NRW, brachte seine Empörung in einer Stellungnahme auf den Punkt: „Die UEFA verbucht seit Jahren Rekord-Einnahmen in Milliarden-Höhe. Für mich ist es auch vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass die Freiwilligen kein Gehalt und keine Aufwandsentschädigung bekommen und auch für notwendige Reisen zum jeweiligen Austragungsort die Kosten tragen und sogar Unterkünfte selbst bezahlen müssen. Ich würde mir hier mehr Fair-Play seitens der UEFA gegenüber den Menschen wünschen, die am Ende eine Europameisterschaft erst ermöglichen.“

Aufstand der Ehrenamtler

Aber vielleicht denken die 16.000 Volunteers ja noch bis zur UEFA Euro 2024 im Juni nächsten Jahres über ihren Status nach?! Bei den Olympischen Spielen 2018 in Südkorea haben Tausende Volunteers das Handtuch geworfen. Grund dafür u.a.: zu schlechtes Essen. 

UEFA-Präsident Aleksander Čeferin und die zehn Oberbürgermeister*innen der EM-Austragungsstädte sollten also hoffen, dass die zur Verpflegung ihrer jeweils 1600 Volunteers engagierten Köche fürstlich bezahlt und gut ausgebildet sind. Schlechtes Essen kann die beste Stimmung verderben.

DGB-Vorstand: Bezahlen

Die Ehrenamtler der UEFA Euro 2024 können sich darauf verlassen, dass ich gerne und jederzeit dazu bereit bin über einen Streik oder andere Protestaktivitäten zu berichten. Meinetwegen können sie sich auch gerne an die Tore kleben.

Vielleicht gründen aber auch einige Ehrenamtler eine Volunteer-Gewerkschaft. Ansprechpartner wäre DGB-Bundesvorstandsmitglied @StefanKörzell. Der Gewerkschaftler stellte zum Job-Desaster der UEFA Euro 2024 schon in Folge 2 meiner Kolumnen-Reihe fest: „Natürlich sollten Freiwillige – gerade bei großen Fußballturnieren, wo viel Geld verdient wird – eine angemessene Aufwandsentschädigung erhalten“.

Folgende Kolumnen zum Thema habe ich bereits veröffentlicht – gerne hier lesen:

Folge 1: 

Die UEFA-EURO-2024-Schande, Folge I: 16.000 Null-Euro-Jobber für die Spiele der Millionäre

Folge 2: 

Die UEFA Euro 2024-Schande, Folge II: DGB und LINKE für Bezahlung der Volunteers bei den Spielen der Millionäre

Folge 3: 

Die UEFA-EURO-2024-Schande, Folge III: Die LINKE entlarvt den Skandal der Millionärs-Spiele

Folge 4:

Die UEFA-EURO-2024-Schande Folge IV – NRW-GRÜNE, LINKE und DGB für Bezahlung der 16.000 Volunteers

Folge 5:

Die UEFA-EURO-2024-Schande, Folge V: So sieht die Ausbeutung der 16.000 Volunteer-„Botschafter“ konkret aus

Foto: Künstliche Intelligenz DALL-E

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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de

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