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Autor*innen von P. E. N. Berlin stellen sich mit Texten gegen den Antisemitismus

In dieser Woche traf ich mich mit 11 anderen Autor*innen u. a. des P. E. N. Berlin zu einer Lesung „Texte gegen das Schweigen. Texte gegen Antisemitismus“. Die Veranstaltung war im Literaturhaus Köln von deren Literatur-Experten und dem P. E. N. Berlin – Regionalgruppe West und der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e. V. organisiert worden.

Die Autoren präsentierten u. a. Texte von Thomas Brasch, Else Lasker-Schüler, Hannah Arendt, Theodor W. Adorno und Mascha Kaléko. Ich las einige Passagen aus einem neuen, erst im Dezember 2023 veröffentlichten Sachbuch des Wissenschaftlers Sebastian Voigt. Es heißt: „Der Judenhass. Eine Geschichte ohne Ende?“ Das Buch befasst sich mit der Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis heute.

Hass mit langer Geschichte

Es ist natürlich nicht einfach, ein derartiges Spektrum des Judenhasses in wenigen Minuten während einer Lesung zu behandeln. Aber immerhin konnte ich einige wichtige Hinweise zur frühesten Geschichte des Antisemitismus geben und damit vermitteln, welch‘ eine bedrückende Bedeutung der Antisemitismus für die Juden bereits vor unserer Zeitrechnung hatte.

Der Judenhass von heute hat eine lange Vorgeschichte: Angefangen in der Antike, setzt er sich in den Zeiten der Bibel fort und steigert sich in der Neuzeit zu einem nicht nur konfessionell, sondern auch sozial und kulturell begründeten Ressentiment. So heißt es im Vorwort zu diesem Buch, das in der Feststellung mündete, dass „der Antisemitismus Teil eines Denkens wurde, das sich immer wieder neu Argumente suchte und zugleich gegen Einwände wappnete“. 

Hass immer bekämpfen

Antisemiten sind in der Regel unbelehrbar, ihre Weltsicht schwer zu erschüttern, schreibt Peter Steinbach, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, weiter in seinem Vorwort. Umso wichtiger sei es deshalb, ihre Vorbehalte, Vorstellungen, Regelverletzungen und Übergriffe nicht einfach hinzunehmen, sondern gegen sie anzugehen. 

Hass in religiösen Schriften

Der Autor Sebastian Voigt beginnt seinen Rückblick mit dem „Judenhass in religiösen Schriften“:

„Erstmals taucht der Judenhass in den religiösen Schriften im Buch Ester auf. Im Perserreich heckte Haman, der höchste Berater des Königs Ahasveros, einen Plan aus, um alle Juden zu vernichten. Er stachelte seinen Herrscher mit folgenden Worten auf: »Es gibt ein Volk, das lebt verstreut und abgesondert unter allen Völkern in allen Provinzen deines Königreiches, und ihre Gesetze sind anders als die aller Völker und sie befolgen die Gesetze des Königs nicht, sodass es dem König nicht geziemt, sie gewähren zu lassen.«“ 

Der Groll Hamans rührte daher, dass Mordechai, der Cousin und Adoptivvater der jüdischstämmigen Königin Ester, sich geweigert hatte, vor ihm niederzuknien. Daraufhin sann er auf Rache und wollte alle Juden in Persien ausrotten lassen.

Tempel in Jerusalem zerstört

Weiter befasste sich Autor Voigt mit der Errichtung und Zerstörung des Tempels in Jerusalem im sechsten Jahrhundert v. u. Z. durch die Babylonier: „Die Feldzüge Alexanders des Großen um 330 v. u. Z. zerstörten schließlich das Perserreich und bildeten wiederum die Grundlage für ein neues Großreich. Es zerfiel allerdings nach dem Tod seines Herrschers 323 v. u. Z. in die sogenannten Diadochenreiche. In einem davon, dem Reich der Seleukiden, erhoben sich die Juden unter Judas Makkabäus. In diesem Aufstand eroberten sie 175 v. u. Z. Jerusalem und weihten dort einen neuen Tempel ein. Dieser Weihung des Tempels gedenken die Juden bis in die Gegenwart im Channukafest.“ 

Voigt weiter: „Erst die Römer brachen die jüdische Vorherrschaft wieder und gliederten Judäa, die Gegend um Jerusalem, als Klientelstaat mit einem gewissen Maß an Autonomie in ihr Reich ein. Nach einem weiteren jüdischen Aufstand von 66 bis 70 u. Z. eroberten die römischen Truppen die Heilige Stadt erneut. Dabei zerstörten sie auch den wiedererrichteten Tempel und besiegten die letzten Aufständischen wenige Jahre später auf der Bergfestung Massada am Toten Meer. Das Scheitern der Aufstände besiegelte das Ende einer jüdischen Staatlichkeit für eine lange Zeit.“ 

Hass durch Apostel Paulus

Die frühesten Ressentiments gegenüber den Juden formulierte der Apostel Paulus, schreibt Autor Voigt: „Als zum Christentum bekehrter Jude gründete Apostel Paulus einige Gemeinden im östlichen Mittelmeerraum. Damals bestand in Jerusalem noch eine mächtige judenchristliche Gemeinde, die auf die Einhaltung des jüdischen Gesetzes bestand und sich dezidiert als Juden betrachtete. (…) 

Die von Paulus um 50 u. Z. verfassten Briefe gelten als die ältesten erhaltenen Schriften des Urchristentums. In den Angriffen auf seine ehemaligen Glaubensbrüder begründete er bereits einige Vorwürfe, die sich in der späteren Rezeption zum Kern der Judenfeindschaft auswuchsen. So schrieb er im Brief an die Thessalonicher über die Juden: ‚Die haben den Herrn Jesus getötet und die Propheten und haben uns verfolgt und gefallen Gott nicht und sind allen Menschen feind.‘ Paulus machte folglich nicht die römische Besatzungsmacht, sondern die Juden für die Kreuzigung Jesu verantwortlich. In der Rezeption der Paulusbriefe verdichteten sich derartige Aussagen zu einem pauschalen Antijudaismus. Nachdem sich die Kirche endgültig vom Judentum emanzipiert hatte, wurde der Gottesmordvorwurf ein integraler Bestandteil ihrer Doktrin. Der Vorwurf wurde immer wieder als Begründung für antijüdische Gewalttaten herangezogen.“

„Judenhass“ von Michel Friedman

Soweit die von mir herausgesuchten Zitate aus Sebastian Voigts Buch „Der Judenhass. Eine Geschichte ohne Ende?“. Erst einen Tag vor der Lesung erfuhr ich von einem weiteren Buch unter dem Titel „Judenhass“. Der Autor Michel Friedman, auch Mitglied im P. E. N. Berlin, befasst sich auf 120 Seiten mit dem Thema Judenhass seit dem 7. Oktober 2024, dem Tag des Hamas-Massakers in Israel. Friedmans Band schließt also, zumindest thematisch, an Sebastian Voigts Buch „Der Judenhass“ an.

Empfehlenswertes Buch

Ich möchte Friedmanns Buch hier unbedingt empfehlen. Es ist ein sehr persönlich geschriebener Text. Jeder, der wissen möchte, wie sich Juden in Deutschland seit dem Massaker am 7. Oktober 2023 fühlen, was sie denken und von den deutschen Mitbürger*innen erwarten, sollte dieses Buch aus dem Berlin-Verlag lesen.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb darüber in dieser Woche: „Schonungslos beschreibt Friedman das Gefühl vieler jüdischer Deutscher im Grunde allein zu sein, ausgesetzt dem Hass der einen und der Gleichgültigkeit der anderen, die Solidarität zu fühlen von so wenigen. Dabei ist Antisemitismus doch immer auch ein Angriff auf die Demokratie, die Toleranz.“

Foto: Jamin

Foto Jörg Haas (Porträt Jamin)

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(Zeitgleich veröffentlicht in meinem Freitags-Blog „Auf einen Cappuccino“ im Wirtschaftsportal Business-on.de

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